Sonntag, 31. Januar 2010

Ozeanträne

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 12 (Seite 877-964)

Edi ist zu allem entschlossen. Frau und Kind wurden von Frankreich nach Polen deportiert und vergast. „Dem, der er gewesen war, glich er nicht mehr, sein Gewissen war betäubt. Er ging darauf aus, denen zu gleichen die er haßte, im Untergang sich ihrer Welt einzuverleiben.“ (S. 891) Edi sucht die Unterstützung des Rabbis „man nannte ihn gewöhlich Zaddik, den Gerechten, oder auch den Wolynaer“ (S. 884) Der aber sagt:

„Wir sind das einzige Volk der Welt, das nie besiegt worden ist. Und weißt du, warum, Ephraim ben Mosche? Weil wir allein der Versuchung widerstanden haben, zu werden wie der Feind.“ (S. 892)

Edi hat keine Ohren mehr für Argumente, er will kämpfen, auch wenn es aussichtslos, für nichts ist. Und während Roman versucht, heraus zu finden, ob er in Jadwiga verliebt ist – „Vielleicht ist alles nur Einbildung, und ich liebe sie gar nicht – Gott, das wäre schön!“ (S. 934) – kommt es zum Gemetzel der Mannen um Edi und der polnischen Partisanen. Jusek hat dafür eine einfache Erklärung: „Es ist die Schuld der Juden, sie haben provoziert.“ (S. 936) Nur Edi, Bynie und Rojzen haben die Schlacht im Stollen überlebt. Roman ist sich seiner Schuld bewusst und bringt sie in einem Kloster zur Pflege unter. Dort vollbringt Bynie kleine Wunder, bevor er stirbt. Die Wunder bringen ihm und Rojzen etwas Geld ein. Rojzen setzt sich nach Südamerika ab. Bynie zu Edi:

„Versucht einmal, eine Schlacht zu beschreiben, und Ihr werdet merken, daß alle diese Taten zusammen so wenig bedeuten und so gestaltlos sind wie eine Träne im Ozean.“ (S. 947)


Mittwoch, 27. Januar 2010

Tell hell?


Tell hell?

Plörre kommt aus dem regional Norddeutschen.
Tell kommt aus der Schweiz.

Man kann statt Plörre auch Plempe, Seim, Blümchenkaffee oder Lorke sagen,
wenn man eine dünne Brühe oder
ein dünnes Gesöff meint.


Tell Lager Bier hell vom coop
hält sich derweil noch ganz goot.

33 Centiliter und 4,8 % Alkohol für 70 Rappen,
da will der Köhle nicht klappen.


Dienstag, 26. Januar 2010

Die Djura-Brigade

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 11 (Seite 755-873)
Jugoslawien: die prekäre Einheit zerbrochen, die Faschisten in den Sattel gehoben. Es bestehen aber geheime Gruppen (seit 1938):

„Man nannte sie Sljemiten, nach dem Berge, auf dem ihre Gründungskonferenz stattgefunden hatte, oder Aprilisten – in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1937 war Vasso Militsch in Moskau umgebracht worden. Sie bekannten sich zu dem Toten und verurteilten im Namen der Revolution seine russischen Mörder und die von diesen eingesetzte Führung der kommunistischen Partei.“ (S. 761)

Mara hat eine kampfbereite Truppe um sich geschart und verteidigt ihre Insel die Grüne Bucht. Ein Großangriff steht bevor. Man ist sich einig. Djura soll flüchten. Der Dichter Djura muss weiter leben. Die Flucht gelingt, Djura landet bei Ljuba (mit dem Tod ihres Mannes Andrej hat alles begonnen), jetzt ist sie die Verbindung von der Insel zum Festland. Mit Ljuba wollte Djura einen Neubeginn versuchen, doch er wird in Zagreb verhaftet und weil er seiner Überzeugung treu bleibt und die Begnadigung via Kurier verspätet eintrifft schließlich gehängt.

Donjo kommt zu spät auf die Insel. „War's ein Fehler gewesen, aus Frankreich wegzugehen? Gewiß! Ein Fehler mehr.“ (S. 818). Er landet dann auch bei Ljuba, die ihm Djuras Aufzeichnungen gibt. Der Tod Djuras macht Dojno wieder feurig. Er will die Briefe eines Gehenkten heraus geben. „Es muß dem letzten Opportunisten beigebracht werden, daß es gefährlich ist, sich auf die Seite der Mächtigen zu stellen.“ (S. 832) Die Djura-Brigade (so nennen sich die Überlebenden des Insel-Kampfes um die Grüne Bucht) wird immer größer. Man kämpft nicht für die Größe Jugoslawiens auch nicht für den Untergang des deutschen Volkes, sondern für alle, für die Freiheit aller.
Tschetniki, Ustaschi, Djuraten: jeder gegen jeden, man reibt sich gegenseitig auf. Für die Dörfer sind die Partisanenkämpfe ein Unglück, denn die jeweils neuen Besatzer nehmen immer fürchterliche Rache an den Einwohnern. „Seit langem war die Antwort auf die Frage, wie es ginge: 'Teski Zeiti!' - schwere Zeiten. Das zweite Wort hatte man dem Deutschen entlehnt.“ (S. 769)

Mehr und weniger bekannte Weisheiten: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Und was der Reiche zuviel getrunken hat, das erbrechen die Armen.“ (S. 772)
Schönheitsideal?: „Kaligraphische Frauen mit rhetorischen Schenkeln.“ (S. 782)
Vertrautes Übel: „Von allen Dummköpfen waren ihm die gebildeten am unerträglichsten.“ (S. 841)
Und die Apoplexie ist nichts anderes als ein Schlaganfall.

Jeannot unterwegs

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 10 (Seite 649-752)

Dojno schreibt für seine Kameraden Briefe an deren Frauen und Angehörige. Die Truppe ist ein bunter Haufen. Leo, Bernard,
Berthier, Pierrot, Litwak, Faber. „Litwak war der ärmste von ihnen allen. Er war der einzige, der nie Pakete, nie Geld bekam, nur ganz selten einen Brief. Er erwartete keinen. Er erwartete nichts. Er war zu tief gestürzt, tiefer als der Abgrund.“ (S. 656) Litwak, ein Fall für Dojno. Litwak aber hat was gegen Intellektuelle: „Etwas so Blödes wie einen Intellektuellen kann Gott nur in seinem Zorn erschaffen haben“ (S. 659) Außer Berthier fallen alle Kameraden.

Dr. Meunier will Donjo zurück nach Paris bringen, Dojno verweigert die Hilfe auch von Karel lässt er sich nicht helfen, das Angebot Heinrich Liebmanns allerdings kommt ihm schließlich gelegen. Seine Frau erinnert ihn an Gaby. „Sie sieht Gaby ähnlich, dachte Dojno, allen Frauen sieht sie ähnlich, derentwegen ein Jüngling feierlich dumm und dann witzig, kühn und dann melancholisch wird.“ (S. 696) Doch selbst bei den Liebmanns findet Dojno keine Ruhe, er will sich in den Tod flüchten: „Es mußte ein Unfall sein, kein Selbstmord.“ (S. 704) Und wer rettet ihn? Jeannot, ein Kind, acht, neun Jahre alt.

Drittes Buch: Die verlorene Bucht; Erster Teil: Unterwegs (Seite 711-752)
Wir schreiben das Jahr 1941 und Dojno hat einen neuen Lebensinhalt: Jeannot. Er lebt in einem kleinen Dorf und mochte seine Wirtin:

„Sie war das Volk – mehr als irgend jemand, dem er bisher begegnet war (…) Sie beklagte jedes Unglück, das irgendwem zustieß, aber ihre Augen wurden wieder jung, sobald sie von kleinen oder großen Unglücksfällen sprechen durfte.“ (S. 714)
Selbst Lagrange gelingt es nicht, Dojnos neue, nein, erstmalige Heimat und Idylle zu zerstören. „Ich lebe jetzt für Jeannot. Das ist eine klare Antwort. Stürbe ich, so wäre es nicht für ihn. Er würde noch einmal verwaisen.“ (S. 724) Lagrange resümiert: „Der ist kein Politiker mehr, kein Genosse. Ein tödlich verwundeter Revolutionär, der bevor er hinüberdämmert, böse Träume hat. Den letzten bösen Traum.“ (S. 726)

Und dann genügt eine Nachricht und alles ist wieder anders. Albert Gräfe (der, dem das symbolträchtige Unrecht widerfahren war) wurde umgebracht und Mara wünschte sich, dass Dojno nach Dalmatien kommen möge, Prevedini will ihn dort hin bringen. Unterwegs also: von Frankreich über Italien nach Dalmatien. Dojnos Hoffnungsfröhlichkeit über das Gelingen dieses Unterfanges spricht für sich, er hat keine Lust auf eine Unterhaltung mit Skarbek und sagt: „Es ist einigermaßen verfehlt, auf dem Totenbett neue Freundschaften zu knüpfen“ (S. 741) Und nochmals Tod: „In knapp zehn Jahren hatten sich die Landkarten Europas für Dojno verändert. Sie zeigten ihm die Topographien des Todes.“ (S. 752)

Weisheit des Tages: Das Gedächtnis ist dem Erinnernden eine Quelle der Qual, den anderen aber unerwünscht (S. 729)
Roman Skarbek warnt: „Auch ich habe Poeten zu ernst genommen, das büßt man bis ans Ende seines Lebens.“ (S. 741)
Verzweifelte Lebenserkenntnis: „Alles begriffen und nichts angewandt!“ (S. 744)

Sonntag, 24. Januar 2010

Roche for Public Eye Award 2010

Der Pharmakonzern Roche ist für die Auszeichnung „übelstes Unternehmen des Jahres“ nominiert. Und da ich schon mal in Roche-Stadt-Basel sitze, interessiert mich das natürlich. Seit 2005 gibt es die Public Eye Awards, die von den Gewinnern höchst selten entgegen genommen werden (vergleich dazu die Big Brother Awards in Ö. http://www.bigbrotherawards.at).

China ist nach den USA der zweitgrößte Markt weltweit für Organtransplantationen. Roche profitiert davon, indem der Konzern das Medikament Cellcept vertreibt, das Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen unterdrücken soll. Cellcept wird mittlerweile sogar in China selbst hergestellt. Ende 2005 eröffnete Roche in Shanghai eine eigene Produktionsstätte mit 1300 Mitarbeitern.

„Es sei höchst wahrscheinlich, dass in die Roche-Studien auch Patienten einbezogen würden, die Organe hingerichteter Gefangener transplantiert bekommen haben, begründet Public Eye die Nominierung von Roche."
schreibt Martina Keller in der ZEIT (Nr. 4/10) und weiter:
„In keinem Land der Welt werden Verurteilte häufiger hingerichtet als in China. Die Todesstrafe kann für 68 Delikte ausgesprochen werden. Amnesty kommt für das Jahr 2008 auf mindestens 1718 Exekutionen, wobei die Dunkelziffer erheblich höher sein dürfte. Und jedem Toten können mehrere Organe entnommen werden. (…) Der Organbedarf könnte die zahl der Hinrichtungen befördern. (…) Für die chinesischen Kliniken ist das eine gute Möglichkeit, den eigenen Etat aufzubessern.“

Jetzt noch voten. Die Preisverleihung findet am Mittwoch, den 27. Jänner 2010 in Davos statt. http://www.publiceye.ch

Die vergebliche Heimkehr 2

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 9 (Seite 559-645)

Relly thematisiert die Rolle der Frauen. Dojno versucht zu trösten. „Laß, noch einige Trostesworte aus deinem Munde, und ich müßte mich aus dem Fenster stürzen.“ (S. 561) Irgendwie gelingt es Dojno aber doch eine Gaby für sich zu gewinnen. Josmar und Thea haben sich ohnehin endgültig gefunden und Hitler erhebt derweil Anspruch auf das Sudentengebiet. Der Krieg scheint unvermeidlich, Auswandern für Dojno daher unverantwortlich.

Gaby hat es nicht leicht mit Dojno:

„Komisches Wesen, ein Mann! Vor einigen Minuten noch war der Körper einer Frau für ihn alles, er war blind und taub für die Welt – jetzt liest er über die Schuhe im Mittelalter oder die Arbeiterbewegung nach Hitlers Niederlage. Wenn ich jetzt 'Hilfe' schrie, er würde mich erst nach dem fünften Male hören. Komisch, so ein Mann, sehr komisch!“ (S. 592)

Man erfährt von Stalins Gräueltaten, kann aber keinen Zweifrontenkrieg führen. Hitler bleibt der Hauptfeind, ihn gilt es zuerst zu besiegen und da gilt Russland trotz allem als sicherster Verbündeter. Frankreich interniert alle Deutschen und Österreicher, Stetten widersetzt sich: „Er lehnt es ab, Komplize einer Aktion zu werden, die seine Einsicht beleidigt.“ (S. 613) Stetten erleidet einen Herzanfall, versucht aber trotzdem Albert (der wieder mal Verschwörungsopfer ist) zur Flucht über die Grenze zu verhelfen und stirbt dabei selbst.
Dojno zieht frewillig in den Krieg.

Kleine Flucht und großes Vorhaben: „Suchen wir in diesem alten Armagnac Trost für die Dummheit der Zeitgenossen. Im nächsten Leben werden wir uns mehr mit Ästhetik abgeben.“ (S. 573)
Patentes Rezept: „Um glücklich zu sein, genügte ihm, sich an seine unglückliche Kindheit in einem lothringischen Dorf zu erinnern.“ (S. 636)
Aufopferung des Tages: „Nein, dir, Dojno, kann man wirklich nicht nachsagen, du hättest dich geändert. Ich erde vielleicht einmal aufhören, dich zu lieben, aber noch in der Sterbestunde werde ich mich bereithalten, dir mal schnell einen Kaffee zu brühen.“ (S. 561)

Weisheit des Tages: „Wenn man jung ist, kann man sich in Taten ausdrücken. In meinem Alter kommt es nicht mehr auf die Tat an, sondern auf die Haltung.“ (S. 617)
Weisheit 2: „Recht haben ist wichtig, aber nicht alleine sein ist viel wichtiger.“ (s. 641)

Stetten frevelt: Psychoanalyse ist die Brille der Blinden! (S. 625)
Beziehungstipp: „Man soll eine Frau nicht länger warten lassen, als sie braucht, sich die Hälfte der Vorwürfe auszudenken, die sie dem Geliebten an den Kopf zu werfen hat.“ (S. 574)

Zu klärende Fremdwörter, Floskeln:
Okarina: Blasinstrument, Gefäß-, Schnabelflöte mit 10-12 Löchern
captatio benevolentiae
: Elaborierte Form des Um-Ruhe-Bittens, „erheischen des Wohlwollens“ zB vor einer Rede, Theaterstück, etc.
nihil humani mihi alienum
: Nichts Menschliches ist mir fremd

Dienstag, 19. Januar 2010

Tiefer als der Abgrund

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 8 (Seite 459-558)
Zweites Buch: Tiefer als der Abgrund; Erster Teil: Die vergebliche Heimkehr

Stetten holt Dojno zurück nach Wien. Donjo hat allerdings arge Schwierigkeiten mit dem Neubeginn. Deshalb verheddert er sich erst mal in der Vergangenheit und läuft einer alten Liebe nach. „Ihre komplizierte Frisur ließ das Gesicht frei.“ (S. 469) Er rechtfertigt das natürlich anders: „Um mich zu bestrafen, daß ich Sie vergessen habe, und um Ihnen zu danken – für damals.“ (S. 471)
Dojno muss erst lernen, wie man ist, wenn man unglücklich ist. „Er war voller Furcht vor der Rückkehr ins Leben.“ (S. 480) Stetten wird eingeladen, die Regierung um zu bilden. Seine Forderungen werden natürlich nicht erfüllt. „Man bietet ihnen Macht an, genau in dem Augenblick, da sie Ohnmacht wird.“ (S. 485) Bald darauf ist Österreich nicht mehr und es heißt wieder einmal fliehen.

Marlies holt sich ihre Tochter Agnes zurück. Stetten ist gebrochen, will bleiben, bleibt zu lang und landet in den Händen der Gestapo. Immerhin setzt sich Marlies (Gattin des mächtigen Tann) für die Freilassung ihres Vater ein. Treffpunkt aller: Paris „die Liebe zu dieser Stadt, deren verführerischer Reiz es war, daß sie dem Untergang den Schein des Überganges verlieh. Denn der Untergang hatte begonnen.“ (S. 513)

Edi und Josmar schmieden Pläne. Sie wollen eine Spielzeugfabrik und parallel dazu wieder eine Bewegung aufbauen. Stetten findet Gefallen an Albert Gräf und dessen Geschichte. Mara will Slavko in Paris umbringen und Karel will, dass Donjo die Ermordung des Dichters Ottokar Wolfan vereitle. Beides misslingt. Stetten konstatiert als Hauptmotiv der Epoche: „Mißbrauch der Liebe zum Zweck der niedrigen Vernichtung“ (S. 557)
Und da fragt dann mal wer nach Dojnos Motivation:
„Vielleicht aus Leibe zu der Vorstellung von einer Welt, wie sie sein müßte,
sein könnte.“ und versteht nicht: „das kann schon sein, aber warum das? Warum
nicht Liebe zu Menschen? Zu einer Frau, zu Kindern, zu den Genossen?“ (S.
498f.)

Wahrheit des Tages: „Niemand ist so einsam wie der Mensch, der es ablehnt, zu vergessen.“ (S. 477)
Zu klärende Fremdwörter:
Faszikel: Aktenbündel, ungebundenes Fragment eines Buches
Felonie: Vorsätzlicher Bruch des Treueverhältnisses zwischen Lehnsherr und Lehnsträger

Freitag, 15. Januar 2010

Die Brasel


Tier des Tages

Die Brasel ist eine zahnarme Nagetiergattung aus der Ordnung der Paarhufer. Die Brasel ist sehr scheu und nur in den Wintermonaten, zur Begattungszeit anzutreffen. Sie hält die warmen Monate über Sommerschlaf und ist mit einem dicken, widerstandsfähigen Wuschelfell gesegnet, in das sie sich in den Sommermonaten regelrecht einspinnt und so unter Brücken, Felsvorsprüngen jedenfalls aber in Wassernähe übersommert. Sie frisst, was ihr vor den Rüssel kommt, ist aber friedfertig. Sie erdrückt ihre Beute, liebkost sie zu Tode. Dabei ist auch ihre lange, starke Zunge von Vorteil, die sie einem Fangarm gleich steuern kann. Die Fachsprache der Ringer kennt den Begriff „Braselklemme“.

Mit dem Faultier ist die Brasel nur insofern verwandt, als das Leben des Faultiers überwiegend mit dem Rücken nach unten auf Ästen hängend, jenes der Brasel hingegen vorwiegend mit dem Rücken nach oben auf Brücken statt findet (Foto: Mittlere Brücke). Die Brasel kann zwar auch hängen aber nur an Schwanz und Zunge. Das Hängen am Schwanz macht sie nach der Begattung, auf dass der Same in ihr bleibe. Das Hängen an der Zunge macht sie nach zu üppigen Mahlzeiten, auf dass die Nahrung den Magen erreiche.

Die männliche Brasel heißt Brösel und ist daran zu erkennen, dass sie ein Ohr weniger hat als die Brasel. Gelingt es dem Brösel nicht, sich einmal im Jahr fortzupflanzen, so verliert er eine weitere Extremität. Beinlose Brösel begehen meist aus Schmach Selbstmord (in der Regel durch Ertrinken, bei Autobahnbrücken zunehmend auch durch Überfahren).

Nach dem Sommer wird geworfen. Danach begibt sich die Brasel gemeinsam mit dem Begatter auf Wanderschaft und macht Brücken- und Partnertausch. Sodann beginnt der ganze Kreislauf wieder von vorn. Eine fleißige Brasel kommt mit ihrem jeweiligen Brösel ganz schön rum. Je nach Lebenswandel, Flussverlauf und Verpestungsgrad des Habitats bringt es die Brasel im Durchschnitt auf zwei bis drei Länder (freilich viele Städte) und circa 20 Lebensjahre.

In Basel fühlt sich die Brasel ganz besonders wohl. Die Rheintaxigesellschaft „Wasserfloh“ hat die Brasel jüngst zu ihrem Wappentier gemacht.
Junge Brasel mit Brösel an Bratkartoffeln ist in Untergrund-Feinspitzkreisen eine Spezialität offiziell aber aus Artenschutzgründen nicht erhältlich.

Mittwoch, 13. Januar 2010

... noch die ins Schweigen hinabsteigen

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 7 (Seite 359-453)

Dojno trifft auf Albert Gräfe den „Schwarzen Engel“ auf den er gewartet hatte. Gräfe ist übel mitgespielt worden. „Gegen das Unrecht des Feindes versucht man zu kämpfen, aber am Unrecht, das einem die Eigenen antun, geht man schändlich zugrunde.“ (S. 364) Dojno ist hin und her gerissen und erleidet bei einer Rede mit dem Titel „Das verlorene Nimandsland“ einen Schwächeanfall. Er wusste, dass sich seine Stimme künftig solchem Text verweigern würde. Dojno möchte die Flucht nach vorne ergreifen und sich als „Frontschwein“ nach Spanien abkommandieren lassen.
Karel verhindert das und stellt ihn in Paris zur Rede. Karel klärt auf, wie Sönnecke und Voss zur Strecke gebracht wurden und was von den Verschwörungstheorien von Gräfe zu halten ist.
Von der Heimat in die Emigration getrieben, immer auf der Flucht und dann, im vermeintlich heilen Land erst recht wieder angeklagt und das Ziel ist, dass man geschändet als Konterrevolutionär sterben soll. Ein Jammer und ein Teufelskreis. In damaliger Diktion: Dialektisch. Zu lange zum Zitieren aber traurig treffend: „In unserem Land ganz allein zu sein, das war schon zu Dostojewskis Zeiten sehr gefährlich. Um es kurz zu machen:“ (S. 393) und dann hebt der Verfahrensleiter an und entwickelt einen äußerst dialektischen Wahrheitsbegriff.

Sönnecke aber bleibt standhaft, will beim Prozess keine im zugeteilte Rolle spielen, sondern sagen, was er zu sagen hat. Er wird schließlich schon vor dem Prozess hinterrücks erschossen.

Auch Vosso lässt sich nicht einkaufen von der Macht, lässt alles über sich ergehen und schließt in Frieden ab mit seinem Leben. „Sie haben recht, ich verzweifle nicht, weil ich nicht hoffe.“ (S. 427)

Karel erwartet sich von Dojno: „du mußt Gefrierfleisch werden. Eiskasten oder Selbstmord, das ist die Alternative.“ (S. 429) Wünscht aber, dass sein Handeln verstanden wird, er hatte es ja auch nicht leicht mit seinem angesägten Knie und seiner Frau, die zur Geliebten seines Peinigers Slavko wurde und sich schließlich ertränkte. „Du hast begriffen, es gibt unter uns, den Toten und den Überlebenden, keine Unschuldigen.“ (S. 435)

Dojno wird das alles zu viel. Er verfällt in Schweigen. Erst Stetten kann ihn wiederbeleben und nimmt ihn mit nach Wien. „Der gute Faber wußte soviel über die Welt, aber er ahnte nicht einmal, daß er einen Sohn hatte.“ (S. 442) Von Hanusia, die aber lebt jetzt in Canada. Und Josmar lebt noch immer. Auch er hat es schwer verwundet nach Paris geschafft und wird schon wieder kritisiert. Worauf Relly der Kragen platzt: „Gesegnet seien die Männer, die vom Wetter sprechen oder von ihren Geschäften oder von Weibern oder vom Kartenspiel.“ (S. 448)

Redestrategie des Tages: „Er improvisierte wie immer, dachte laut im Gespräch mit einem Gegner, dem er soviel Intelligenz zubilligte, wie er selber hatte.“ (S. 374)

Wahrheit über die Dummheit und die Vergangenheit: „Es ist die spezifische Dummheit der Mächtigen, daß sie glauben, sie könnten die Vergangenheit beliebig ändern.“ (S. 423)

Über Banken, Kärnten u.a.: „Der Betrug hat aufgehört, nur ein Mittel zu sein, er ist zur Einrichtung geworden, der Mißbrauch der Macht hat aufgehört, ein Umweg zu sein, denn die Macht ist einigen wenigen zum ausschließlichen Ziel geworden.“ (S. 444)

Vertrautes Gefühl: „Die Geduld ist dahin, sobald man dessen bewußt wird, daß man sie übt.“ (S. 446)

Vertrautes Gefühl 2: „Nur die vergessen wollen, suchen den Trost.“ (S. 451)

Zu klärende Fremdwörter:
Vaudevilles: U.a. Genre des US-amerikanischen Unterhaltungstheaters
(und immer wieder) Schibboleth: (ohne die ganze Geschichte dazu) eine sprachliche Besonderheit, durch die sich ein Sprecher einer sozialen Gruppe oder Region zuordnen lässt. Noch was: Dschugaschwili war im Übrigen Stalins Geburtsname


Dienstag, 12. Januar 2010

Verschriftstellert

Ja, Kollege Schmidt hat mich auf die Idee gebracht, diesen Basel-bzw.-Dicke-Bücher-Blog zu machen.
Schmidt hat täglich 20 Seiten Proust gelesen und darüber dann ausführlich berichtet.
Ich nehme mir monatlich eine Schwarte vor (im Jänner eben Manès Sperber) und lese täglich was geht.
Apropos Proust:


Verschriftstellert

Ich prouste, du jonkst mir entgegen.
Ich habe keine Joyce, ich grasse dir eines vor den Lenz, dass du nur so köhlmeierst und deinerseits deinen Menasse scharf raimundest und mir zweigst, wo der Hackl hängt.
Das schillert, schindelt und schuht an meinem Nestroy aber ein Schwitters fritzt mir dabei nicht aus meinem Einbaum.
Das musilt dich, du wondratschekst, dass es andere Kofler braucht, um dich zu verkrausen.
Mit einem bisschen Streruwitzen kann man mich nicht jelineken.
Und wer bloß mitterert, der jandelt meist Schrott.
Ich rühm mir ja frischmuthiges Zenkern.
In diesem Simmel: Artmann


Montag, 11. Januar 2010

NdT4

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 6 (Seite 308-356)

Störte und seine Wundertaten. Die Gestapo schleuste Leute in Kommunistische Gruppen ein oder schnappte sich Kommunisten, folterte sie so lange, bis zum Kollaborieren bereit waren und wartete, auf den geeigneten Zeitpunkt, um alle hoch gehen zu lassen. Störtes Aktionen sind erfolgreich, Sönneck ahnt warum und lässt den Undercovermann auffliegen. Da steht schon die Gestapo vor der Tür und alle müssen flüchten. Josmar findet Zuflucht bei seiner Ex-Nachbarin Thea. Deren Ex-Gatte („Ich scheiß auf die Politik, bin aber ein braver Nazi.“) ihm dann trotz allem die Kugel aus der Schulter holt.
Es entspinnt sich eine eigenartige Beziehung. Allein liebesfähig ist Josmar längst nicht mehr.

„Also schloß Josmar, war diese Thea in ihn gerade verliebt. Er sollte nicht weggehen, ehe sie seinen Skalp hatte. Gut, das konnte sie haben. Diesen Abend wollte er noch Musik machen, doch morgen würde er sich in einen Liebhaber verwandeln und zwei Tage später weggehen.“ (s. 341)

Traurige Erkenntnis: „Nur keine großen Gefühle, nur nicht leiden, darauf kam es an.“ (S. 344)
Traurige Erkenntnis 2: „Hinter jedem einzelnen, der sich opfert, stehen andere, die opfert er mit – ohne sie zu fragen, ob sie es wollen.“ (S. 349)
Allgemein anwendbare Formel
(z. B. auf Linz09): „Wen das Wunder einen Abend lang sättigt, der muß drei Tage hungern nachher.“ (S. 310)
Nicht mehr gebräuchliche Wendung
: Expropriation der Expropriateure
Zu klärendes Fremdwort:
Megäre
: Böse, wütende Frau, Furie (Rachegöttin)

Sonntag, 10. Januar 2010

Tabs&Tees&Ticks

Ein großer Teetrinker bin ich fürwahr nicht
Doch deucht mich schon, das war mal anders
Ich spreche von den Teebeutelaufhängevorrichtungen
Sind die normal nicht schlichter?
Wenn nein, seit wann nicht mehr?

Ich geb es offen zu, ich hab beide nicht erstanden
Die lagen offen in der Küchenlade
Auf dass sie aufgespürt und aufgebrüht
Ich bracht's nicht übers Herz
Schwein gehabt ihr Beutel!

Seid ihr das überhaupt noch?
Kann ein Tetraeder je ein Beutel sein?
Und überhaupt: was ist das zweite Gebilde, ein Tab?
Der Fragen viele, hier, der Schneeflocken auch, draußen

Ich will mich überwinden
Flott, flott der Kessel möge pfeifen
Die Tassen hurtig raus geräumt
Ich senk das Tab und zieh am Label
Die Spannung steigt, ich piss mich an

Mit Majestät und Symentrie entspinnt sich edel doppelzüg'ge Eleganz
Ich bin entzückt, noch immer feucht und widme mich dem Tetraeder
Chaotisch lustig purzelt dieser in die leere Tasse
Er landet selbstbewusst und harrt des heißen Schüttguts das ihn treffen mag

Er ist bereit, ich bin es auch, genug gewartet, Tee getrunken
(Gaumen verbrannt)

Freitag, 8. Januar 2010

NdT 3

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 5 (Seite 268-307)

Emigration. Josmar und Sönnecke in Prag. Es scheint an Sönneckes Sessel gerüttelt zu werden. Seine Partnerin Irma hat geschwatzt. Dojno ist auch wieder frei – er war im Konzentrationslager – mit Hilfe von Stetten ist er befreit worden. Edi, Bärtchen, Mara, Karel, Stetten alle da und alle haben was zur Lage zu sagen, z. B. Edi:

„Doch da die Opferbereitschaft in ihnen vermtulich stärker ist als die Vernunft, so akzeptieren sie auch die absurdeste Begründung und beginnen ihren Opfergang damit, daß sie ihr bißchen Vernunft als erstes Opfer darbringen. Es gibt nichts, wofür die Menschen dieses Geschlechts nicht bereit wären zu krepieren.“ (S. 296)
Dojnos Erzählungen wird nicht all zu viel Beachtung geschenkt, nur Hanusia schenkt ihm Gehör und in der Folge dann auch sich selbst. Für kurze Zeit. Sie verlässt ihn for a change.

Große Worte: „Wie ich das Geschwätz vom aussichtslosen Kampf hasse! Als ob eine Revolution sich ihrem Ziel je anders genähert hätte als durch aussichtslosen Kampf.“ (S. 275)

Vertraute Lebenseinstellung: „Doch schnell genug vergaßen sie wieder die Welt, das Dorf war groß genug für ihre Armut, der getrocknete Hering zu teuer, als daß sie ihn hätten geringschätzen dürfen.“ (S. 281)

Vertraute Situation: „Daß er nichts ganz ernst nahm, hätte beunruhigen können. Doch verzieh man es ihm, da er so erlaubte, daß man ihn selbst nicht ganz ernst nehme.“ (S. 293)

Dilemma des Tages: „Daß ich ihm alles glaubte, genügte nicht. Er verließ mich, weil ich nicht mehr an ihn glaubte.“ (S. 285)

Weisheit des Tages: „Wer über den Tatsachen steht, dem fliegen sie zu; wer ihnen nachkriecht, dem türmen sich die nichtigsten zu Bergen.“ (S. 290)

Donnerstag, 7. Januar 2010

Stillleben mit Schlot


Spätweihnachtliche Idylle

Schloten ist nichts verboten!

Oh wie kümmerlich wirkt das zart Bäumchen
Oh wie kläglich der Behang
Oh wie sperrholzig die Krippe
Oh wie lacht, das traute hochheilige Paar
Und wo sind jetzt die Könige?, fragt Jo
Auf Zeitausgleich, weiß Mary
Ochs und Esel: muiahen

Merke: Der Tag der Heiligen Drei Könige ist hier kein Feiertag

NdT 2

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 4 (Seite 219-267)

Bürgerkrieg!
Die Demokratie ist verloren aber Österreich könnte noch gerettet werden.
Professor Stetten mit Familie am Essenstisch und draußen rumst es. „Österreichs Schicksal ist besiegelt“, tönt es aus dem Maul des zum Nazi mutierten Sohnes. Der Professor kontert, doch die Familie lehnt sich auf. Wieder eine Frau die geht.
„Niemand ist geblieben, er war ganz allein. So ging er in den Bürgerkrieg“ (S. 227)

Dort wird er Zeuge von Unmenschlichkeit, verdroschen und eingesperrt. Freilich kommt er aufgrund seiner Kontakte frei und spricht mit Politik und Kirche – wieder so ein Apparat: „Sie billigt alles, was geeignet ist, die geheiligten Grundlagen des einzigen deutschen katholischen Staates wiederherzustellen und gegen jeden Angriff zu sichern.“ (S. 234)
Und der „es geziemt sich nicht“-Prälat setzt noch eins drauf und erklärt, warum Professor Stetten nun nichts mehr zu sagen hat:
„Unter allen Gottesleugnern und Kirchenfeinden waren Sie am hemmungslosesten dem teuflischen Werke der Zersetzung verschreiben, haben Sie am lautesten das Recht des Menschen gegen Gott, des Diesseits gegen das Jenseits verkündet. Sie haben am ungeheuerlichsten Betrug teilgenommen: die Menschen glauben zu machen, sie könnten auf Erden glücklich sein“ (S. 241)
Auch Edi zieht in den Bürgerkrieg und Relly bleibt nur im Ungewissen daheim zu warten.

Vertraute Situation: „Seine Zuhörer waren zu müde, der Mann spürte, daß er jetzt endlos fortfahren konnte, ohne unterbrochen zu werden, aber ihm fiel im Augenblick nichts mehr ein.“ (S. 263)

Zu klärendes Femdwort:

pitoyable: armselig, elendig, kläglich, bedauernswert

Mittwoch, 6. Januar 2010

Wolkenwerfer


Basel
die Stadt
in der die Wolken
gemacht werden.

Wolkenmaschinen brauchen vor allem eines: Viel Wasser. Das kann Basel bieten. Der Rhein wird angezapft und speist die Wolkenfabriken am Horizont.
An einem normalen Werktag produzieren die Baseler Wolkenwerfer ausreichend weiße Wolkenmasse, um das Gebiet von Lörrach über Basel bis Liestal zu zu decken.

Nicht die Toten

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 3 (Seite 161-218)


Dritter Teil: „Nicht die Toten werden Gott preisen ...
Elend, Folter, Verrat. Traurige Geschichten, schwere Schicksale.
Dieser Teil bietet wenig Hoffnung. „Die Illegalen vom vorigen Jahr wahren zumeist nicht mehr: auf der Flucht erschossen, in Zuchthäusern eingemauert, in den Konzentrationslagern täglicher Folter ausgesetzt.“ (S. 176)

Neben tragischen Lebensläufen (Albert und Erna) wird hier der Werdegang des p. v. (politisch verdächtigen) Herbert Sönneckes ausführlich beschrieben. Held im Ersten Weltkrieg (Eisernes Kreuz), nunmehr beständig auf der Flucht und im Untergrund aber immer noch erfolgreich. „Doch man lebte, also lebte die Partei. Und die starb nicht mit denen, in denen sie lebte. Denn es gab immer neue. Herbert Sönneckes Aufgabe war es, dafür zu sorgen, daß es sie gab.“ (S. 177)

Seine Frau Herta sieht das allerdings anders: „20 Jahre lang haste unrecht gehabt, immer warste auf der Seite, die wo gerade die schlimmste Haue abgekriegt hat.“ (S. 201)

Sönnecke gerät in einen Naziaufmarsch und sucht Zuflucht bei Jochen von Ilming („Dieser Schwätzer ist hundert Maschinengewehre wert.“). Der ganz und gar nicht seiner Seite angehört. Aber man ist sich doch in einer Sache einig: „Doch stimmen wir jedenfalls darin überein, Sie und ich, wir hüben und ihr drüben, daß der Zweck alles erlaubt. Darauf allein kommt es an.“ (S. 214)
Um den Zweck zu erfüllen, braucht es den Apparat:
„Mit Apparat bezeichnet man die besonders geheimen Sonderorganisationen, die die Polizei und den Nachrichtendiensten der Partei stellten. (…) Man hatte nicht neugierig zu sein, wenn die Rede auf den Apparat kam.“ (S. 216)
Albert war ein Opfer des eigenen Apparats. Grausliche Zeiten!

Zweifelhafte Methode: „Legen Sie Ihre rechte Hand aufs Kreuz und schwören Sie, daß Sie wirklich ein Kommunist sind.“ (S. 188)

Sympathische Eigenschaft: „Albert mochte Löffelerbsen mit Speck.“ (S. 189)

Dienstag, 5. Januar 2010

Die Vorbereitung

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean 2 (Seite 106-160)


Zweiter Teil: Die Vorbereitung
In diesem Teil geht es um die Vorbereitung auf die Revolution. „So erhaben ist eine Revolution, daß es lohnt, für sie zu leben, daß alle Gegenwart blaß, schal wird, wenn sie nicht der Vorbereitung der großen Umwälzung dient.“ (S. 115) Dojno in Wien. Erst bei bei Edi und Relly auf Werbetour, Edi bleibt hart, Relly ist weich, hatte früher ein Gspusi mit Dojno, dann bei seinem ehemaligen Professor dem Historiker und Philosophen Baron von Stetten.
Stetten ist einer, der alle Welt heraus forderte, „weil es ihm Spaß machte“ und der immer gegen das war „woran gerade die Zeit sich besoff, um sich sodann als die große gerieren zu können“ (S. 122)
Dojno fühlt sich dem Professor in der „Technik des Denkens“ nahe, stimmt jedoch inhaltlich selten mit ihm überein. „Es wäre falsch gewesen, ihm zu folgen, es war richtig, ihn nie zu verlassen.“ (S. 124);

Der Professor führt Dojno seinen Wandel vor Augen: „Aber jetzt haben Sie überhaupt keine Gedanken mehr. Sie haben nur eine Meinung. Und der Pöbel, die organisierte Meinung, die man Partei nennt, hat Sie.“ (S. 127) Die Nachricht des bevorstehenden Generalstreiks lässt Dojno zurückkehren (nach Deutschland und zu Gerda). Doch gestreikt wird nicht: „die unteren Funktionäre haben es nicht verstanden.“ (S. 164ff)

Wahrheit des Tages: „Die meisten Menschen werden deshalb politisch nie klug, weil sie, was sie erleben, erst erfassen, wenn es Vergangenheit geworden ist.“ (S. 106)

Vertraute Situation: „Kaum hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt, begann sie zu essen – mit jener aggressiven Gier, die der Appetit der Traurigen ist.“ (S. 145)

Zu klärende Fremdwörter:
Astarte
: Fruchtbarkeitsgöttin westsemitischer Völker
Rubaschka
: Hemd
Garmoschka
: russische Harmonika

Montag, 4. Januar 2010

Lichtschweif


Hinweisschild des Tages:

Die Basler Fasnacht wirft ihre Schatten voraus. Das Comité feiert 100jähriges Bestandsjubiläum und deshalb verkehrt ab dem 9. Jänner 2010 ein FasnachtsGenDrämmli. Ich habe keine Ahnung, was das ist bzw. was da verkehrt aber dieses Pissoir-Hinweisschild finde ich schon mal einen schönen Vorboten für die närrische Zeit (22.-24. Februar).
Ob der pullernde Kasper verschiedenfarbig blinkt, muss ich noch überprüfen.

Ach ja und FasnachtsGenDrämmli mach ich auch gleich noch zum Wort des Tages.

Die nutzlose Reise

Manès Sperber: Wien eine Träne im Ozean (WTO) 1 (Seite 5-106)

1. Buch: Der verbrannte Dornbusch
Erster Teil: Die nutzlose Reise

Damit ist die Reise des Schwaben Josmar Goeben nach Wien gemeint. Josmar muss seine Lisbeth („Er hatte Lisbeth, ein proletarisches Mädchen, in der Partei kennengelernt, er liebte sie, sie liebte ihn, sie heirateten.“ S. 27) und Berlin verlassen, um als Kurier zu dienen.
Vorher aber wird er u. a. von Freitag geimpft „Die Gefahr, das ist, was wir selber tun.“ (S. 21) und es wird über die Partei und Mitleid („Wir haben uns verurteilt, keines zu haben, keines zu verlangen.“ S. 24) diskutiert. Josmar hört zu, um weiter zu geben.
Apropos Mitleid: Lisbeth! „Sie braucht viel Mitleid, doch vertrug sie es nicht, es kränkte ihren kranken Stolz.“ (S. 28) Jedoch: „Josmar, gläubig gegenüber der 'Dialektik', die alle Umwege und Fehlschläge seiner Partei erklärte, glaubte in persönlichen Angelegenheiten an einfache Tatsachen.“ (S. 28)
Eine gewisse Relly hat zwar nicht direkt dazu aber allgemein klärend zu sagen: „Was man Treue zur Sache nennt, löscht die Treue zur Person aus, die Freundschaft, die Liebe.“ (S. 34)

Im dritten Kapitel dann lernt Josmar den eigentlichen Helden des Romans kennen: Dojno Faber. Der spricht davon, dass die Gleichgültigkeit allgegenwärtig, dass sie jeder Machtherrschaft stets die sicherste Stütze sei. Ja mehr noch: „Die Gleichgültigkeit ist so furchtbar in ihren Folgen, so mörderisch wie die furchtbarste Gewalt.“ (S. 39) Worauf wissen will: „Du bist wohl ein Österreicher,...“

Im vierten Kapitel ist der Kader Andrej Bocek auf der Flucht und der kroatische Kommissar Slavko auf der Jagd. Slavko ist das personifizierte Böse. „Diesmal bekam er den Wutanfall langsam, in Etappen, er ohrfeigte keinen seiner Untergebenen, er teilte nur Rippenstöße aus.“ (S. 55) Er sauft, mordet und schimpft („Kaltscheißer“). Er ist opportun, hinterhältig und ergo als guter Polizist immer zu gebrauchen. Er selbst über seine Karriere:
„Wenn ich ein geduldiger Mensch wäre, der warten kann, daß sein Weizen blüht, ja, Bruder, wäre ich da ein solches Scheusal geworden, der Schlächter der Serben, der Verräter der Kroaten, der Folterer der Kommunisten und Terroristen?“ (S. 64)
Bocek wird erschossen, der Mord dem Serben Maritsch angehängt, der dann ebenfalls sterben muss. Beim Begräbnis von Bocek kommt es dann zu Ausschreitungen. „Die Bauern setzten Staatsgebäude in Brand, sie jagten die Gendarmen wie die Hasen und töteten die wenigen, deren sie habhaft wurden, wie die Ratten.“ (S. 77) Slavko wurde ab- und wieder eingesetzt und sorgte für Ordnung.

Im sechsten Kapitel lernt Josmar den Dichter Djura kennen, er mag ihn nicht. „Josmar hatte sogar Mühe, ihn zu duzen, wie es unter Kommunisten üblich war.“ (S. 81) Dichter war auch der Vater von Mara. „Sie war in diesem Lande der erste weibliche politische Häftling, an dem die neuen Foltermethoden angewandt wurden.“ (S. 86) Bei Mara, die Betsy genannt wird, lernt Josmar noch eine französisch parlierende Genossin – einen „Koloss in Samt“ - kennen und schon wieder wer (Hrvoje Brankovic) auf der Flucht erschossen.
„Nach Berlin zurückgekehrt, berichtete Josmar sehr ausführlich, was er erlebt hatte. Sönnecke empfahl ihm, bei der Abfassung des schriftlichen Berichtes viel kürzer zu sein, systematischer, der Linie viel mehr Rechnung zu tragen.“ (S. 105)
Nein, kürzer geht nicht. 100 gelesene Seiten noch mehr einzudampfen, ist bei meinem Hang zum Epischen nicht drinnen. Weil aber im Gelesenen noch so viel drinnen steckt, hier eine in diverse Kategorien aufgedröselte Auswahl.

Wahrheit des Tages (bzw. der ersten 100 Seiten): „Aus Mitleid wird man vielleicht ein Sozialdemokrat.“ (S. 23)

Weisheit des Tages: „Und die Klugheit macht einen dumm, wenn man sie als Waffe gegen die Weisheit einsetzt.“ (S. 100)

Phrase des Tages: „Einzelne können die Partei verraten, aber die Partei verrät nicht.“ (S. 65)

Diminutiv des Tages: Zorule „Noch war es der erste Morgendämmer. Die Slawen hatten für ihn einen Diminutiv, sie nannten ihn zärtlich Zorule.“ (S. 26)

Zweifelhafte Tugend: Selektive Treue „Immer wenn die Zeit, doch nicht der Mensch für große Entscheidungen reif ist, kommt dies sonderbare Treue in Kurs.“ (S. 42)

Wortdiskurs: Immer „Immer – das gibt es nicht. Außer für die Gläubigen.“ (S. 44)

Vertraute Situation: „Sie mußte das Gesagte wiederholen, was sie beschämte und trotzig stimmte, und nun sprach sie alles mit unwirscher Deutlichkeit aus.“ (S. 17)

Zu klärende Fremdwörter:
Paladine: Ein Paladin (Plural Paladine, von lat. palatinus) ist ein mit besonderer Würde ausgestatteter Adliger, meist ein Ritter.
Komitadschi: Als Komitadschi oder Komiti werden Mitglieder einer politische Untergrundbewegung oder revolutionären Komitees bezeichnet. Das Wort leitet sich von dem bulgar. Комитет/Komitet oder türk. komita für Komitee ab.

Wie eine Träne im Ozean

„Allerdings dünkt mich alles, was ich schreibe, Stückwerk – Bruchteile eines Ganzen, das abzuschließen mich der Tod hindern wird, sofern Krankheit, Müdigkeit oder Verzicht nicht vorher dem schriftstellerischen Abenteuer ein Ende setzt.“ (S. 5),
schreibt Manès Sperber im Vorwort der Romantrilogie Wie eine Träne im Ozean, nachdem der militante Humanist (der 1983 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde) 1035 Seiten zu Papier gebracht und 11 Jahre an diesem Werk gearbeitet hatte.

Kein Leit- aber auch kein schlechter Satz. Ich werde mich nicht daran aber auch nicht nicht daran halten und das Buch (das eine Empfehlung des Buchhändlers meines Vertrauens ist www.literaturbuffet.com) im Laufe des Jänners lesen und hier aufbereiten.
Im Februar folgt dann die nächste Schwarte.

Sperber beschreibt in Wie eine Träne im Ozean die politische Landschaft Europas zwischen 1930 und 1945. „Im Mittelpunkt steht das geistige Abenteuer des revolutionären Menschen, eines Typs, der aus dem 20. Jahrhundert nicht mehr wegzudenken ist.“

Sperber (*1905 in Zablotow/Ostgalizien) verbrachte seine Jugend in Wien und lebte von 1933 bis zu seinem Tod 1984 in Paris. In den zwanziger Jahren stieß er zur Kommunistischen Partei, 1937 trat er aufgrund der stalinistischen Säuberungen wieder aus und begann zu schreiben.

Ich beginne am 3. Jänner 2010 um 18 Uhr 07 zu lesen. Noch was. „Wer hier teilnehmen will, muß seinen Teil geben: wahrhaft mitwirken;“ (S. 6), heißt es ebenfalls im Vorwort.
Nun, da bin ich nicht so streng, über Kommentare aber freue ich mich sehr wohl.

Zum Kleinen Markgräflerhof


Angekommen. Ausgepackt. Online.
Beste Arbeitsbedingungen. Schönstes Wetter. Sonntag, der 3. Jänner 2010.

TAG 1
Basel Basics (BaBa)
Erstmal ein paar Fragen.

Unter Wissenswertes will mir mein Wallpaper City Guide in der Kategorie Bücher (weiterführende Literatur?) Steppenwolf von Hermann Hesse andrehen.
Warum bloß? Ich weiß es nicht.

In der Kategorie Preise erfahre ich, dass eine Flasche Champagner in Basel 63 € kostet.
Warum bloß? Ich weiß es nicht. Ich weiß ohnehin noch kaum etwas über Basel.

Rhein, Chemie, Dreiländereck.
FC Rot-Blau, Buch- und Art-Basel.

Das war's schon. Den 24-Stunden-Das-beste-der-Stadt-in-einem-Tag-Routenvorschlag nehme ich trotzdem nicht an, da schlägt mir mein schlaues Büchlein nämlich allen Ernstes vor „wo sie gerade in der Stadt sind“ vielleicht doch mein „Portfolio“ auszubauen und „ein Schweizer Bankkonto bei einer der traditionsreichen Privatbanken, etwa bei Julius Bär & Co zu eröffnen.“ Warum bloß? Ich weiß es nicht.

Ich denke, die Kurse dieser Privat Bank Juliuse stehen nicht besonders gut. Ich denke auch, dass es in den nächsten Monaten für mich finanziell nichts auszu-, sondern nur massiv abzubauen gibt. Aber egal, die Stadt scheint es wert zu sein.

Lyrischer Kommentar zum Foto des Tages: Schreitbaggerarbeiten

Schreite mit Breite!
O Bagger erschaufle dich unser!