Donnerstag, 29. April 2010

Helenenelend


Na dann schauen wir halt mal über den Schweizer Tellerrand hinaus.

Lassen wir Edelschimmelkäse, Edelschimmelkäse - Goldreserven, Goldreserven
und Bankgeheimnisse, Bankgeheimnisse sein
und wenden wir uns
Schafskäse
, Ouzoflaschen und Notkrediten zu.

Und was haben wir dann?
Einen ordentlichen Griechischen Salat, jawoll!
Ein gesalzenes Fiasko, ein betrübliches Helenenelend!

Und daran ist nichts schön (vom Wort abgesehen!). Möge dies Foto Trost spenden, schnüren wir quasi ein Fotohilfspaket.

Montag, 26. April 2010

Kausalkettenkarussell


fern bleiben. Ulrike Ulrich, Luftschacht 2010

Lo besteigt einen Zug und reist rum. Lo ist Mitte Dreißig, mit Wissen beschlagen und belesen aber im zwischenmenschlichen Bereich noch auszubildend. Ein Quiz beschert ihr finanzielle Unabhängigkeit, sie nützt diese Freiheit und Gelegenheit, lässt Arbeit und Freunde zurück und fährt erst mal nach Rom und dann weiter, weiter, um nirgends anzukommen, in keiner Stadt zu übernachten, es sei denn, es gibt da einen David oder so (aber dazu sei an dieser Stelle nicht mehr verraten).

fern bleiben spielt in einer vertrauten Zeit, die trotzdem schon ferner scheint, als sie ist. In Zügen darf noch geraucht werden, die Frauenkirche in Dresden ist noch eine Baustelle und Angela Merkel noch nicht Kanzlerin. Lo flunkert Schweizer Zollbeamte an, trinkt mit serbischen Schlafwagenschaffnern Rotwein, lässt einen Desertstorm GI ein eye auf ihren Rucksack haben, ruht sich auf der Schulter eines französischen Bassisten und Bäckers aus und verbringt eine paar Zugkilometer mit dem Poetry Slammer Thomas (der natürlich an einem Roman schreibt und gleich flatter- und sprunghaft ist wie Lo).

Lässt sich anfangs „Nicht-Intervention“ als Los Lebensmotto heraus lesen, so wandelt sie sich im Laufe der Reise langsam. Überrascht durch Spontaneität und Mut zu guten Taten. Lourdes-Wasser ins Tessin zu bringen, ist da noch eine der kleineren. Ein Café mit Buchhandlung und Bühne auf zu machen, wäre ein Grund irgendwo zu bleiben. Da ist aber noch eine andere Möglichkeit. Diese Kolumne für das Reisemagazin, die ihr die Reisebekanntschaft Julia angeboten hat. Vorerst aber wird weiter gereist. Warum? „Bloß weil sie schon wieder etwas leidlich Besonderes tun will. Bloß damit sie beim Frühstück danach erzählen kann.“ (S. 150, das bezieht sich übrigens auf Nachtschwimmen in Stella Mare, Italien)

Nein, so einfach ist das nicht. „Und potenzielles Glück ist überhaupt das verlässlichste.“ Los Reisen ist eine Schnitzeljagd und ein Ausschauhalten nach Zeichen. Nebenbei werden große Themen sprachlich sensibel und durchaus gewitzt abgehandelt. Die Heldin hat einen Sinn für Sprache und ein deklariertes Wortfaible. Sie sammelt Wörter auf einer Liste, Lebensmensch beispielsweise ist auf dieser Liste.

fern bleiben kann durchaus als Superlativ von „fern sehen“ betrachtet werden, „fern sein“, wäre dann vielleicht der Komparativ. Wie das zu verstehen ist? Da muss eingetaucht werden in Los Welt. Buch aufschlagen, Welt ausknipsen, für ein paar Stunden fern bleiben und sich gut aufgehoben fühlen zwischen den Zeilen, in den Kapitelabteilen und den Schriftzügen dieser wunderbar leichten, feinsinnig poetischen und sprachverliebt unterhaltsamen Geschichte.


Mittwoch, 21. April 2010

Schwierig ist auch nur ein Wort


Richard Obermayr: Das Fenster

Ich gebe es zu, ich hatte Angst. Zum Fürchten, was man da im Vorfeld vermittelt bekam und dann schaut der Autor auf dem Foto auch noch so grimmig.

Ach, hätte ich doch bloß die Rezensionen der Kolleginnen und Kollegen nicht gelesen. Jetzt fühle ich mich auf einmal verpflichtet, das Buch auch schwierig zu finden, beziehungsweise darauf hin zu weisen, dass es die Kritik vorwiegend als schwieriges Werk auf nimmt. Schwierig!? Dann schaut doch fern!

Herrgott, nur weil sich der Inhalt nicht so einfach nacherzählen lässt und man nicht auf vertraute Sprachbilder und bewährte formale Herangehensweisen stoßt, ist das doch nicht gleich schwierig. Ist anders immer gleich schwierig? Der Schwierig-Stempel für ein Buch ist so etwas wie die FSK ab 18 Jahren für einen Kinderfilm. Nein, Das Fenster ist natürlich alles andere als ein Kinderbuch aber der Held erlaubt sich sehr wohl die Unbeschwertheit eines Kindes zu haben, Fragen zu stellen und Bilder zu entwerfen, die man sonst momentan nirgendwo mehr findet. Nochmal Herrgott!

Ihr könnt lesen, ihr wollt euch auf etwas Neues einlassen, ihr habt Phantasie, oh, vermutlich hapert's daran. Wie auch immer: Wer lesen kann, der lese!


Dienstag, 20. April 2010

Klagenreich


Ach ja, in Klagenfurt war ja unlängst auch ein Slam!

Schön war's! Aber seht selbst: http://www.gedankenlos.at/

Klagenfurt ist natürlich auch schön, wie ihr selbst sehen könnt. Schon schön: Ö
Ööööö - schön!

Jetzt könnte man natürlich Musil, Bachmann, Jonke, Winkler, ja, gar Handke zitieren. Aber nein, ich drück euch die Goldenen Zitronen aufs Aug:

"Die Stadt, die die Klage schon im Namen trägt, harrte wie gebannt.",
singen sie in
Des Landeshauptmann's letzter Weg
auf Die Entstehung der Nacht. Und da haben sie wieder einmal mehrfach recht. Denn Klagenfurt schien wirklich nach einem Slam zu lechzen und wie eine Nacht entsteht, bzw. wie man sie zunichte macht, haben wir dann kollektiv demonstriert. Wenn bloß das Bier nicht ausgegangen wäre...

Montag, 19. April 2010

Himmlische Odeure



...sagt sich der Bieler Himmel und gibt sich unaufgeräumt

Allein dem Rumslammer, Bummler und Walserleser kann das alles nichts anhaben:Ohne Abgründe bleibt jeder Künstler nur etwas Halbes, ein geruchloses Treibhausgewächs.“
Abgründe die Menge und Gerüche auch, ja, auch ich mags dreckig und eine mehrtägige Slamtour versaut einen zuverlässig. Slam on!

Sonntag, 18. April 2010

Zeitalphabetabschluss


Gerhard Roth: Das Alphabet der Zeit (ab Seite 756)

Das Kapitel heißt „Tod“. Erstmal (1970) wird aber Erika geehelicht. 2001 soll diese Ehe dann durch seine Schuld in die Brüche gehen. Auch das Verhältnis zu den Eltern leidet:
„Meine Mutter und er misstrauten mir, da ich inzwischen Schriftsteller geworden war und sie befürchteten, eines Tages würde ich alle ihre Geheimnisse preisgeben. Vor allem meine Mutter lebte in der beständigen Furcht, ich könnte mein Wissen über die Familie in einem Buch veröffentlichen.“ (S. 774)
Nun ja, einiges kommt da schon zu Tage. Zum Beispiel weshalb Großvater auswanderte. Im Anhang schließlich wird dem Vater und der Mutter ein eigenes Kapitel gewidmet.
Diese Abschnitte sind genährt von historischen Zahlen, Daten und Fakten sowie einer unsentimentalen, nüchternen Analyse der jeweiligen Verhaltensweisen und münden in das knapp einseitig Kapitel „Liebesgeschichte“.

Da es sich ja um eine klar ausgewiesene biografische Arbeit handelt, ist die „Bilderzählung“ mit Porträts, Familienfotos, Dokumenten und Schnappschüssen aus den diversen Lebensabschnitten eine wirkliche Bereicherung und eine gelungene Abrundung des Buches. Fotoarbeiten von Gerhard Roth kann man aktuell auch im Wien Museum am Karlsplatz sehen. Da läuft grad die Ausstellung: Im unsichtbaren Wien. Fotonotizen von Gerhard Roth.

Samstag, 17. April 2010

Walserpilgerfahrt


Neulich war ich in Biel!

Auch das Nichtstun ist ein Metier, es stellt sehr viele Anforderungen. Nüchterne und fleißige Leute haben davon keine Ahnung.“
Robert Walser

Ich war zum Slammen dort.

Man darf nie Erbarmen voraussetzen, immer aber Sehnsucht nach Unterhaltung.“R. Walser


Freitag, 16. April 2010

Basel-Plakatart


geht es gut
geht es gut
geht es sehr, sehr gut!








MIR sind: Michael Stauffer, Hans Koch und Fabian Kuratli.
Und der wunderbare Verlag - Der gesunde Menschenversand - der jetzt auch sehr, sehr schöne Bücher macht, schreibt über MIR:

Der Dichter Michael Stauffer und die Musiker Hans Koch und Fabian Kuratli legen mit «So viel wie nie» ein Werk voller Magie und schräger Komik vor. Stauffer brabbelt, summt, buchstabiert, schnorrt, singt, erzählt und fantasiert. Er wechselt fliessend zwischen Dialekt, Kauderwelsch, Gesang und Laut-Improvisation. Die Instrumentalisten Koch und Kuratli mischen sich treffsicher ein, zitieren aus dem ganzen Vokabular zeitgenössischer Pop-Avantgarde und verwandeln die
Geschichten zu einem Hörkino, das man nicht mehr verlassen möchte.

Mittwoch, 14. April 2010

Paradiso


Hab von gestern auf heute (18Uhr30 bis 7Uhr30), ein paar Stunden Schlaf inklusive „Paradiso“ vom aktuellen Rauriss-Preisträger Thomas Klupp weg gelesen.
Ja, gut. Nein, nicht schwierig nur mutig. Faserland, Fänger im Roggen (und auch, ja, Ehre, wem Ehre gebührt, Martin Fritzens Goldhendel-Text) fallen mir dazu ein. Klug gemacht das. Kalkül soll man da nicht gleich unterstellen aber der gute Klupp hat sich schon angeschaut, was in großem Stil funktioniert hat in den letzten Jahrzehnten und dann hat er das souverän und skrupellos, nein, das nicht, nur wissend, umgesetzt.

Die Figur ist nicht von Anfang an unsympathisch aber es spitzt sich zu. Der Held Alex Böhm ist nicht blöd aber dumm genug in manchen belangen und überlegen in anderen. Er hat Geld und sein erstes Mal war natürlich kein Fiasko (mit einer tschechischen Nutte!). Dafür entpuppt sich Kapitel für Kapitel was für eine menschliche Katastrophe der junge Herr und möchtegern Drehbuchschreiber ist.
Erzähltechnisch ist das simpel. Auch die Figuren treten auf und ab. Das Ich ist alles überstrahlend und untergehend auf Raten. Sprachlich windet sich der Erzähler: Vielleicht, ich weiß ja nicht, also... und wer sich entschuldigt, dem wird doch verziehen, nicht?
Ein effektiver Monolog, keine Dialoge, wenn, dann in indirekter Rede. Wichtiger ist aber immer, was er sich dabei oder an was er dabei denkt. Insofern sprachlich super konsequent und stimmig, in einem Guss, in 10 Kapiteln durchgezogen. Jawoll: Toll!

Samstag, 10. April 2010

Beiläufigkeitsbemäntelung

Richard Obermayr: Das Fenster (Part 3: Seite 71-110)

Als wären diese Erinnerungen schon vor ihm da gewesen und hätten auf ihn gewirkt. „... und von diesem Augenblick an wusste ich, dass ich träumte, und tat alles, um mich nicht selbst zu wecken.“ (S. 73) An anderer Stelle heißt es: „Ich sortiere die fertigen Träume.“ (S. 96)
Erinnerungen wollen gehütet werden, sonst schließen sie sich dem Leben eines anderen an. Andeutungen reifen zu Vorwürfen und Klagen: „Alles, was wir nur begonnen haben, geht hier unbeirrt weiter; (S. 83)
Hier, in dieser Geschichte, ja, da ist das so und das ist erfrischend anders. In allen Gesten wird etwas wiederentdeckt oder -erkannt. Er stößt nur noch auf seine Spuren, das Leben selbst ist ihm „entwischt“. Er verschleppt Szenen und Beobachtungen in sein Leben, eignet sich Bilder an und besetzt sie für sich neu. Akrobaten und der Zirkus beschäftigen ihn. Das Foto vom gelb-türkisen Zirkuszelt samt Wohnwagen und ländlichem Drumherum auf Obermayrs spartanischer Homepage unterstreicht diese seine Begründung anschaulich. Nun aber mal höchste Zeit für ein längeres Zitat:

„Etwas hindert sie daran, dieses Leben zu leben, als dürfe sie nicht darauf zurückgreifen, als sei es zu kostbar und müsse für einen besonderen Anlass aufbewahrt werden. Niemals würde sie fertig sein, mit dem Anziehen des Mantels, in den ihr mein Vater hilft, eine Geste, die innen mit Beiläufigkeit gefüttert war, wie um seine Zuneigung zu bemänteln. (…) doch erst da sah ich, was ich alles beim ersten Mal, als ich diesen Weg ging, am Rand liegen lassen musste, um mit der Zeit Schritt zu halten, all die Dinge, die ich damals übersprang.“ (S. 80)
So ein Satz lässt sich problemlos weglesen, er bietet sich aber auch an, zum Hängenbleiben und selbst Sinnieren und das ist doch wunder schön, nicht?