Mittwoch, 3. Februar 2010

Der Mann ohne Eigenschaften

Robert Musil. Der Mann ohne Eigenschaften (Seite 1-54)

Ulrich heißt unser Held, der keiner sein will und auf den ersten 50 Seiten erfahren wir schon allerhand über ihn. Wir wissen wo er wie wohnt, dass er Anfang 30, recht gut in Form ist und sich gerade Urlaub von seinem Leben nimmt. Ulrich wollte schon immer ein bedeutender Mensch werden, sein erster Versuch dies zu erreichen, ließ ihn zum Fähnrich in einem Reiterregiment werden, dann verschrieb er sich der Technik und schließlich der Mathematik. Es wird offenbart, dass sein Vater ein Mann mit Eigenschaften war, über die Mutter wird vorerst noch nichts verraten aber über andere Frauen. Seine Gefährtin und eine Geliebte, sowie eine Freundin und einen Freund dürfen wir schon näher kennen lernen auf diesen ersten Seiten und an Action mangelte es auch nicht. Ein Unfall gleich zum Auftakt und später dann wird Ulrich windelweich geschlagen.

Namen, Zahlen, Zitate? Aber gerne doch. WIEN im Jahre 1913. „Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.“ (S. 9) Wien, aber das ist an sich nicht wichtig: „Die Überschätzung der Frage, wo man sich befinde, stammt aus der Hordenzeit, wo man sich die Futterplätze merken mußte.“ (S. 9) Ulrich wohnt in einem „kurzflügeligen Schlößchen, ein Jagd- oder Liebesschlößchen vergangener Zeiten (…) die vornehme Stille der Bücherwände einer Gelehrtenwohnung“ (S. 10) natürlich inklusive. Außerdem kann seine Wohnung mit einem Ankleidezimmer aufwarten. Für die Fitness gibt es einen Boxball.

Sein Vater hielt diese Lebensart für eine „unheilverheißende Anmaßung“. Sein Vater verabscheute die Unüberlegtheit, Ulrich verabscheute gewöhnliche Wohnungen. Und: „Wenn man sein haus bestellt hat, so soll man auch ein Weib freien.“ (S. 21) Leontine ist Sängerin in einem Varieté. Ulrich nannte sie Leona „und ihr Besitz erschien ihm begehrenswert wie der eines vom Kürschner ausgestopften großen Löwenfells.“ (S. 22) ROARRR! Leona zeichnet sich u. a. durch Gefräßigkeit aus und weil das öffentliche Auftreten mit ihr nicht gerade nach seinem Geschmack war, „verlegte er ihre Fütterung gewöhnlich in sein Haus, wo sie den Hirschgeweihen und Stilmöbeln zuspeisen mochte.“ (S. 24) Aber immerhin verachtete ihn Leona ein bisschen.

Dass Ulrich eine große Schnauze hat, dürfte schon klar geworden sein, dass er auch auf die Schnauze kriegt, tut gut (wenngleich der Fehler an seiner Verprügelung seiner Meinung nach lediglich auf „sportlichem Gebiet lag“). Dass ihn selbst in dieser Lage ein guter Engel rettet, ist fast schon eine Frechheit. Dass dieser gute Engel ihn anderntags aufsucht und seine Geliebte, ja seine Bonadea wird, kommt aber nur in den besten Romanen vor („Sie hatte nur einen Fehler, den daß sie in einem ganz ungewöhnlichen Maß schon durch den Anblick von Männern erregbar war.“(S. 42)).

Clarisse ist Walters Frau („Sie verhöhnte die wallende Waschküchenwärme, in der er Trost suchte.“ (S. 53)), Walter ein vielseitiger Dilettant und Ulrichs Jugendfreund. „Ulrich wußte, daß sie sich Walter wochenlang verweigerte, wenn er Wagner spielte. Trotzdem spielte er Wagner; mit schlechtem Gewissen; wie ein Knabenlaster.“ (S. 49)
Höchst vergnüglich das alles und an zitierwürdigen Passagen derart reich, dass ich da „allsogleich", nein, morgen einen eigenen Eintrag folgen lasse werde.