Mittwoch, 5. Mai 2010

Genug gefenstert


Eine aufschlussreiche Ahnung, zwei Fragen, zwei Resumes und eine Eigentlichkeit

Letzte Ausweidung von Richard Obermayers: Das Fenster (Jung und Jung 2010)

„Ich ahnte, es gibt noch eine zweite Wirklichkeit, in der sich die langsamen Abenteuer unserer Gefühle abspielen, in einer zeit nebenan, in der Augenblicke langsam in uns heranreifen, bis sie eines Tages ihren stummen Rapport geben.“ (S. 250)

Eine Frage die wir uns wohl alle anbetrachts der Lebensläufe anderer gelegentlich stellen: „Was hatte ich in all den Jahren getrieben?“ (S. 157)

Eine Frage die wir uns wohl alle anbetrachts des vielen verlorenen Krams gelegentlich stellen: „Die Vergangenheit ist unser eigentliches Element. (…) Was, wenn man alle Regenschirme, Schals, Handschuhe und Münzen überreicht bekäme, die man je verloren hat?“ (S. 88)

Und zum Schluss vielleicht eine Art Resume: „Schließlich kam es mir so vor, als sei alles, von dem wir meinten, es sei in unserem Leben einmal wichtig gewesen, wie zu einer langen bizarren Stunde verklumpt, in der sich die namenlose Intimität sämtlicher Erinnerungen und Gefühle befindet.“ (S. 195)

Auch in nicht reiner Zitatform: Richard Obermayer packt den Stier bei den Hörnern, stopft ihn das ganze Familienleben rein und näht ihn dann fein säuberlich und unerhört poetisch wieder zu.

Wobei es doch eigentlich so ist: „Wir sind allein mit der Geschichte, nachdem die, von denen sie handelte, aus ihr verschwunden sind.“ (S. 232)

Womit genug aber natürlich nicht alles über Das Fenster gesagt wäre.