Montag, 16. Juli 2012

Diskurs- und Prügelprosa



Jan Off ist eine Marke. Jan Off steht für Punk, Trash, Drogen und keine Kompromisse. Jan Off hält, was sein Ruf verspricht. Jan Off bleibt sich selbst immer treu, variiert aber die Themen seiner Romane. Freilich bleiben Drogen eine verlässliche Konstante aber nachdem er sich im letzten Roman „Unzucht“ ausgiebig dem literarischen Porno hingegeben hatte, beschäftigte er sich im aktuellen Roman „Happy Endstadium“ mit der Linken.


Jan ist der beste Freund des Ich-Erzählers und zieht in eine WG ein. Hervorragend ist Mitbewohnerin Julia und als der Erzähler die erstmals zu Gesicht kriegt, ist es um ihn geschehen. Er will auch in diese WG, um jeden Preis, und sei es, er müsste kriminell werden, um an diese Julia ran zu kommen. Diese Julia hat die Kraft, Fleischfresser und Taugenichtse kurzzeitig zu veganen Arbeiterbienen zu machen. Ein Zimmer wird frei, die Aufnahmeprüfung gemeistert und die erste Aktion zwar verkackt, aber es besteht noch berechtigte Hoffnung, denn die Mitbewohner-Waschlappen Kleingeld, Lasse und Jan sieht das biertreue Ich nicht als Konkurrenz an. Aber erst wird mal demonstriert, geplaudert, gepudert, geprügelt und am Manifest (welchen Inhalts sei hier nicht verraten) herum geklügelt. Ein Hund verschwindet, ein Bandenkrieg entflammt und wird im Sonnenstudiokeller wieder gelöscht, ein Plan wird geschmiedet und immer fleißig den Drogen zugesprochen.
Auf einmal ist der Erzähler der nüchternste und alle anderen im Dauerrausch. Auf einmal ist es dem anfänglich zögerlichen Ich wichtig, den Gaga-Plan durchzuziehen (um so endlich die Gunst Julias zu gewinnen) und zur Planumsetzung ist man gleich auf mehrere Freaks angewiesen. Chemie Student Hartmut, Rupert, der Unviversaldealer und Bernie, das Nachtwächter-Wrack mit sprachlicher Eigenart

Das ist natürlich Stoff für zahlreiche Rauschaktionen und endlos skurrile Episoden. Dass das Ganze (der Plan, nicht das Buch) in die Hose gehen muss, ist unübersehbar. Das Kapitel mit Kleingeld und dem Erzähler auf dem Weg in die Pampa zur Warenübergabe (welche Ware wird hier natürlich nicht verraten) mit diversen Unfällen und Schwierigkeiten ist exemplarisch für Offs Erzähl- und Herangehensweise an den Stoff, zu lesen

Die Stärke von Jan Offs Prosa liegt auf der sprachlichen Seite. Diese Sätze haben Kraft und langen Atem. Die Wortwahl ist originell und gerne drastisch, der generelle Duktus allerdings bewusst antiquiert. Dieser permanente Bruch hat Charme und von vornherein einen eigenen Witz. Die Dialoge überzeugen ebenfalls (auch über lange Strecken). Denn natürlich wird viel gequatscht in dieser WG, die Linke redet noch immer gern und viel, viel mehr, als dass sie handelt. Die Linke, bzw. diese linke WG, kommt nicht sehr gut weg in „Happy Endstadium“. Aber kaum jemand mit WG-Erfahrung wird leugnen, derartige Figuren kennengelernt und mitunter ähnliche Ideen gewälzt zu haben.
Auch wenn sich einige gelegte Spuren im Sand verlaufen und der Undercovermann etwas durchsichtig angelegt ist, ist „Happy Endstadium“ in Summe ein solider Off-Roman, der unterhält und - wie eingangs angekündigt - hält, was er verspricht.