Freitag, 19. April 2013

Sonne und andere Versüßungen

Wer hätte das gedacht? Die Geburtsstätte der gesunden Watsche liegt in Norwegen. HAUGESUND weiß dies mit Bestimmtheit zu vermarkten. Stavanger hingegen ist die Hauptstadt des Öls und Bergen heißt so, weil sieben Berge die Stadt umgeben. Ja, sieben Berge und auf einen hirschte ich heut rauf. Der Floyen ist immerhin 320 Meter hoch und man kann eine Standseilbahn oder seine Beine in die Hand nehmen, um ihn zu erklimmen. Ich bin Resttiroler, ergo geländegängig und ausgelüftet gehörte ich auch, also machte ich mich auf den Weg und ehe ich oben war, wäre mir fast das reiche Frühstück hoch gekommen. Aber ich hielt tapfer durch und es unten und durfte dann den Überblick vom Oberdeck genießen. Die Sonne ließ sich auch blicken, da wird dann im Nu aus müdem Grau sattes Blau und alles ist gut. Regen mag zwar verbindend sein aber Sonne kann dann doch mehr. Danke Himmel!
Da flutete das gestern zugeführte Hansa-Bier die Poren und verließ mich wieder. Daraufhin besuchte ich die Hansehäuser in der Brygge. Holz, bunt, bekannt. Das sind die, die man von Bildern kennt.
Ich knipste auch. Dann kurz wieder Regen, damit man sich ja nicht zu gut fühlt und dann marschierte ich zum Galgenbakken, nicht jedoch ohne vorher ein Vermögen für Souvenirs und einen Norwegerpulli ausgegeben zu haben. I've got some money to burn and I burn it here! Das ist eine Möglichkeit, um sich hier wohler zu fühlen. Es gibt auch andere. Beispielsweise wollte ich mich gester belustigt über die beim Workshop kredenzten Erdbeeren äußern, da kam mir eine Einheimische zuvor und meinte: Wir müssen uns das Leben hier versüßen. Sei so!

Donnerstag, 18. April 2013

Stimmungsaufheller am Frühstücksteller

Zufluchtsraum mit Duschgelegenheit
Die Vorhänge zuzuziehen, hat sich als gut erwiesen. Hätte ich das nicht gemacht, ich hätte sofort gesehen, dass es keinen Grund zum Aufstehen gibt. Regen volle Kanne. Sicht null. Stimmung schon früh morgens im Keller. Aber, da muss es einen Stimmungsaufheller geben, denke ich mir und begebe mich schnurstracks in den Frühstücksraum und siehe da, jetzt ist mir klar, wie es der Norweger schafft, selbst den verregnetesten Tagen kühn ins Auge zu blicken. Köstlichkeiten in allen Farben, von Fisch über Fleisch und Käse und Kuchen über Bohnen und Omeletten und frischen Säften und Filterkaffee, ja, Filterkaffee. Aber ansonsten alles paradiesisch.
Wasser von oben, Wasser am Boden, Container und Kräne dazwischen
Hätte ich was zu sagen, ich würde einen Frühstücksbuffetkaffee-Ombudsmann einrichten. 1981 führte Norwegen einen Ombudsmann für Kinder ein, einen staatlichen Kinderbeauftragten, der alle vier Jahre vom König ernannt wird und weitreichende Befugnisse hat, bereits 1978 eine Ombudsfrau für Gleichstellung der Geschlechter. Da fehlt nur noch der Frühstücksbuffetkaffee-Ombudsmann. Norwegen erhöre mich – ich komme wieder und bin guter Hoffnung.
Einstweilen tröste ich mich mit Kiwiingwerjuice und groove in den Tag. Ich werde heute sicher noch schwungvoll tanzen. Mach ich das alleine, dann führe ich den wilden Einmanntanz „Halling“ auf, tanze ich zu zweit, dann mache ich den „Springar“, bin ich bzw. sind wir dann müde, dann sollte es noch für den „Gangar“ reichen. Traditionelle Volkstänze – ja, was für Touris, ich bin einer.
Johanneskirche, guter Orientierungspunkt

Mittwoch, 17. April 2013

Trollland

100 NOK = 13 €
Mit „Hei“ und „Takk“ kommt man schon recht weit. „Takk for maten“ würd ich gern zu wem sagen, aber zum Essen werde ich wohl erst morgen eingeladen. Da sag ich dann „tüssen takk“. Einstweilen übe ich mich darin, nicht umzurechnen. BERGEN hier regnet es viermal so viel wie in Berlin, steht im Reiseführer. Weiß nicht, wie nass Berlin ist aber jetzt grad regnet es in Bergen und es macht auch ordentlich Wind, dafür ist es noch bis 21 Uhr hell. November und Dezember sind nicht so gemütlich da, hell wird es da nie und dass es weniger regnen würde in diesen Trauermonaten, wäre auch gelogen. Ich bin hierher geflogen. Mit KLM über Amsterdam. Davon hatte ich nicht viel, das waren zwei Kurzflüge, die einem nur Süßes oder Salziges und einen Blümchenkaffee einbringen.
Versteifte ich mich also auf die Reiseführerlektüre und jetzt weiß ich, wie man in Norwegen Stahlroste nennt, die quer über der Fahrbahn liegen und das freie Umherwandern von Weidvieh unterbinden sollen, nämlich „Ferist“. Eine Baustelle hingegen klingt weit poetischer: Vegarbeidsomrade
Ich spreche mehrmals laut „Vegarbeidsomrade“ vor mich hin, die Stewadress lächelt sich zu mir und ist um mein Wohl besorgt, sie versteht mich nicht, sie kommt ja aus Holland und ich will ins Trollland. Dort gibt es nämlich 24 Prozent Mehrwertsteuer, Husfliden-Läden und gute Bezahlung für alle Berufsgruppen. 

Nationaltheater
Et glass vann?“ fragte sie routiniert. Ja, ich kühlte mein Mütchen mit Wasser, „Kake“, also Kuchen, wird es vielleicht später geben. Was es an Sonntagen anscheinend in Norwegen nicht geben sollte, ist Schnaps. Schnapsverbot an Sonntagen. Das Freitagfeierabendbier allerdings ist Pflicht, das hat auch einen eigenen Namen, den hab ich mir aber nicht gemerkt, irgendwas mit fredagpils und das norwegische Nationalgetränk Aquavit habe ich noch nie getrunken, ist allerdings bei uns auch billiger als hier. 
BERGEN ist die zweitgrößte Stadt und reich. Bergen profitiert vom Ölreichturm des Westlands, Bergen ist eine Bankenstadt, Bergen war Hansestadt und in Bergen legen natürlich auch jede Menge Kreuzschiffe an, ab Mai dann. Jetzt ist eher noch Tristesse royale. Weil Norwegen nach wie vor eine parlamentarische Monarchie und der Thronfolger anscheinend eh ein klasse Bursch ist. 5 Millionen Norweger und davon studieren insgesamt circa 150 Deutsch, nicht hier in Bergen, sondern im ganzen Land. Es gibt an sich keinen Grund für einen Norweger, Deutsch zu lernen, Norweger brauchen nichts von den Deutschen. Norwegen hat Landschaft und seit den 1960er Jahren Öl. Viel Öl. Norwegen ist der weltweit siebtgrößte Förderer und drittgrößte Exporteur von Erdöl. 
Reiseleiter Norbert und Klippfiske
Öl“ heißt auch Bier aber das nur nebenbei. Jens Stoltenberg heißt der Ministerpräsident seit 2005 aber demnächst sind Wahlen, ob die Ap (Arbeiterpartei) dann immer noch die Nase vorn haben wird, steht in den Sternen. Manche haben nämlich die Nase voll von diesem komischen Sozialismus. Das Geld aus den Öleinnahmen wird für die Zukunft angelegt und die öffentliche Hand ist knapp bei Kasse. Ich hingegen übe mich im Nichtumrechnen und frage mich, was wohl ein „Fiskeboller“ ist, „Hundefotterfisk“ jedenfalls ist teurer. Morgen mehr.

Dienstag, 16. April 2013

Schwere Kost und Leichtsinn

Ohne Worte. Flughafen Wien.
Da kommst du also erstmals in der Stadt an, vor der du als 16-17-18jähriger viel gehört hast, denkst dir, 20 Jahre, das ist lange her, da muss sich doch einiges getan haben, landest vorfreudig, eine neue Stadt kennenzulernen und dann merkst du recht  bald, dass das kein ganz gewöhnlicher Städteurlaub gepaart mit Workshop und Slamauftritt wird. Sarajevo verlangt dir mehr ab. Sarajevo beschäftigt dich. Sarajevo katapultiert dich zurück in die 1990er Jahre, lässt dich an den Teenager denken, der du damals warst, ruft dir in Erinnerung, dass in deinem Elternhaus ja auch eine bosnische Familie wohnte, dass die geflüchtet sind, war dir schon klar, viel mehr aber auch nicht.
Sarajevo betrübt dich. Sarajevo hat diese Kraft, vermutlich noch länger. Du kommst am Flughafen an, bekommst mit, wie zentral dessen Funktion in der Zeit der Belagerung war, wirst in das Zentrum gefahren und sofort wird dir klar, wie spürbar die Folgen des Krieges hier noch sind. Dass Häuserfassaden Einschusslöcher aufweisen, die noch immer nicht geflickt sind, findest du anfangs erstaunlich, mit der Zeit dann immer trauriger. Du wills davon jedenfalls keine Fotos machen. Du versuchst dir in Erinnerung zu rufen, wie das damals war. Du hast gewisse Bilder vor Augen, du hast gewisse Aussagen im Kopf, von einer gewissen Eigenschuld ist da immer die Rede.
Ja, das Museum ist geschlossen. Nein, fragt nicht warum.
Du fühlst dich unwohl in deiner Haut. Du dachtest, du wärst ein kritisch reflektierter Jugendlicher gewesen. Dir wird bewusst, dass du eigentlich nie mit einem Betroffen geredet hast, obwohl du welche in deiner Umgebung gehabt hättest. Gut, sagst du dir, die wollten ja auch nicht darüber reden. Ja, das mag stimmen, es wird wohl noch lange dauern, bis dieser Krieg halbwegs verdaut ist.
Deine Verdauung hat es hier auch schwer. Du bestellst Cevapi wie es sich gehört, du langst auch bei den rohen Zwiebeln zu, das solltest du bereuen. Du trinkst besser vorausbeugend mehr
Sarajevsko. Du schläfst dann ja auch besser. Du hast ja auch Zeit dich auszuschlafen. Du schaffst die paar wirklichen Aussichtspunkte und Sehenswürdigkeiten ja auch am Nachmittag, du musst feststellen, dass das Wetter in Sarajevo am Vormittag immer besser ist. Du hast an sich ja nichts gegen Regen, du willst aber auch keine nassen Füße haben, du darfst dich ja nicht verkühlen, du musst ja fit sein, für die Workshops und die Moderation. Du schonst dich also. Nein, du isst viel und gut und du trinkst mehr und besser vor allem Espressi zum verlieben. Du könntest dich auch in beinah alle Studierenden verlieben. Du findest nicht nur, dass sie perfektes Deutsch sprechen, du findest sie auch sympathisch. Du magst, dass sie schreiben und vortragen wollen, dass sie etwas zu sagen haben, dass sie die Bühne für sich reklamieren. Das versöhnt dich mit vielem. Du freust dich über deine Reisebegleitung (Doris) und du freust dich über den Organisator der ganzen Sache (Florian). Du bedankst dich an dieser Stelle mit einem großen HVALA. Du schreibst vielleicht später noch was. Du sagst vorerst ZDRAVO und auf Wiedersehen.
Florian und Doris

Donnerstag, 4. April 2013

Troppautsch und Hupfingatsch

20 Jahre Österreichbibliothek Opava und ich als Textbeitrag zum Festakt der Verlängerung dieser Kooperation. Schön. DankÖ. Poetry Show in der Uni-Aula. Uni gibt es erst seit 1991 hier, wichtig war die Stadt aber schon immer. Quasi Schlesische Hauptstadt Österreichs. Recht viele Spuren aus dem Zeitalter Maria Theresias und auch die Uni selbst (zwar über die ganze, kleine - 60.000 Einwohner - Stadt versträut) in einem Barock-Palais. Auch schön. Wetter: nicht schön. Aber hier soll nicht darüber lamentiert werden. Ein Foto muss genügen. Am Foto auch ersichtlich, dass es in Opava einige Bausünden der Nachkriegszeit gibt, was damit zu tun hat, dass recht viel Industrie hier angesiedelt ist und war und die beschert der Region nicht grad gute Luft, bzw. bescherte ihr im Krieg viele Angriffe aus der
Tina, Rostia und Rathaus
Luft und außer dem Rathaus (schön) war so ziemlich alles in Schutt und Asche.
Interessant, dass es ein eigenes Tourismusprospekt mit dem Titel "Fortifikation und militärische Denkmäler in Troppauer Region bzw. spielen Sie einen Verteidiger" gibt. Da erfährt man dann so Dinge wie die Schussweite einer Haubitze 38+ (11950 m) und die Kadenz pro Minute. Für mich war Kadenz ja bisher immer noch positiv belegt. Aber die Kadenz 600 einer Maschinenpistole schüchtert schon ein. Nicht schön, nur ganz schön skurril, derartiges Infomaterial. Ach ja, Opava hat eine tolle Entstehunglegende, in der Pfaue die Hauptrolle spielen. Das ist doch mal was!
Heute Ostrava. Da war ich letztes Jahr schon mal. In 39 Minuten geht's los. Also nichts wie auf.