Montag, 28. April 2014

Kulturkontakt

Teil des Ö-Tage Programms. Junges russisches Talent jodelt.
"Ja nje goworjo po russki", ging mir natürlich nicht flott genug von den Lippen. Sie zerrte an mir und wollte mich in die russische Kultur einführen. Im konkreten Fall hätte das bedeutet: Tanzen. Tanzen mit einer zu früher Stunde schon erstaunlich betrunkenen Frau. Nein, einem Mädchen. Sie waren viele. Es machte den Anschein einer Geburtstagsparty und sie dominierten das Lokal.
Ich saß still Bier trinkend in der Ecke und ließ die Tage Revue passieren. Ja, ich schrieb und war mir durchaus bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis irgendeine der Feiernden zu mir schwappte und... ich sollte recht behalten. Ihre Kontaktaufnahme war überschäumend freudig, ich verstand natürlich kein Wort, übersetzte aber wie folgt: "Heute ist ein schöner Tag, heute ist ein Feiertag. Wir trinken und tanzen und wir würden gerne mit dir - schöner fremder Mann - trinken und tanzen. Denn du schaust etwas melancholisch in dein Bierglas und scheinst so in dich gekehrt. Lass los den Kugelschreiber und fass an meine Hand! Sie wird dich sicher auf die Tanzfläche geleiten und dann lassen wir uns dort einfach gehen, okay?"

Teil der Abendmahlunterhaltung. Pornodance von talentierten Studierenden
Musical-Duett mit hohem Schmalzfaktor zur Essensablenkung
 Auf eine derart förmlich und freundlich vorgebrachte Rede lässt sich natürlich nicht einfach mit einem kühlen "Njet!" antworten. Das wusste ich und baute deshalb auf dramatischen Mimik- und Gestikeinsatz. Auch wimmerte ich ein wenig, um ihr zu bedeuten, dass mit mir heute nichts zu machen wäre. Ich versuchte eine Geste zu finden, die ausdrückte, dass ich gerade zwei harte Kongresstage mit zig Pflichtterminen hinter mir hatte und ich jetzt gerade nichts lieber tat, als mich möglichst undramatisch mit russischem Bier zu betäuben.
Was macht die Frau da?
Ich schlug also die Hände über dem Kopf zusammen, verbarg dann mein Gesicht darin und schluchzte laut - so ungefähr. Sie jedenfalls nützte den Augenblick in dem ich das Bierglas losließ und ergrifft mich bestimmt am linken Handgelenk. Die gestischen Gestaltungmöglichkeiten waren dadurch immens eingeschränkt, vor allem weil ich mich mit der Rechten an die Tischstirnseite klammern musste, um nicht schwupps-die-wups von der Bank gezogen und auf die Tanzfläche abgeschleppt zu werden.
"Russki kulturni" hämmerte sie dabei auf mich ein. Ich - gestisch behindert - wusste mir nicht mehr zu helfen und rief: "Hilfe!", was natürlich niemand verstand bzw. eher als Freudenausruf denn als Stoßseufzer (und schon gar nicht als wirklichen Hilfsanspruch) interpretierte.
Ihr war ernst, mir war ernst.
Sie schwitzte, mir wurde heiß.
Sie ließ nicht locker, ich intensivierte mein Wimmern, in der Hoffnung ihr dadurch zu bedeuten, dass ich nicht Manns genug wäre, ihr zu genügen.
Die typischen Rollenbilder der russischen Gesellschaft wurden mir ja in den vergangenen Tagen eindrücklich vermittelt.
Auch waren die unzähligen Brautpaare, die sich in die absurdesten Posen warfen und an allen nur möglichen Stellen der Stadt fotografieren ließen, nicht zu übersehen. Allesamt blutjung. Ja, das nehmen sie noch ernst, das mit dem Heiraten. Passend dazu meine Lektüre. "Die Kreutzersonate" von Tolstoj (1891 erschienen) Da lebte Tolstoj schon jahrelang in selbst gewählter Armut und versuchte das "christliche Ideal" zu leben. Natürlich toll geschrieben aber von der Aussage her - wie im Nachwort vom Autor untermauter - der komplette Irrsinn. Tolstoj war sich sicher, dass die Menschheit nur durch totale Keuschheit zu retten wäre. Tztztz.
Ich jedenfalls blieb keusch an diesem Abend und sedierte mich weiter, nachdem meine Bekanntschaft mitgekriegt hatte, dass ich ein österreichischer Schlappschwanz und zudem eh schon verheiratet war.

Freitag, 25. April 2014

Wolgogradtag 2

Mein zweiter Tag in Wolgograd
Ich spreche kein Wort Russisch
Und immer wenn ich doch was sag
Klingt das für alle lustisch


Wolgogradtag 1

Ich bin ein Viertel der Österreich-Delegation. Es stehen Österreich-Tage in Wolgograd an. Ein Ö-Lesesaal wird eröffnet, es wird wohl reichlich gefestaktet werden. Was ich über Wolgograd weiß (resprektive grad gelesen habe): Wolgograd war mal Zarizyn und Stalingrad, ist Millionenstadt, Verkehrsknotenpunkt und Wirtschaftszentrum.
Die Stadt schmiegt sich ans Wolgaufer und erstreckt sich über sagenhafte 100 Kilometer. 400 Kilometer ist die Entfernung bis zur Mündung des Kaspischen Meeres. 1000 Kilometer sind es bis Moskau. Weiter im Westen ist der Don. Einst herrschten hier die Kosaken und Zarizyn hat nicht mit dem Zar zu tun, das ist Tatarisch und heißt "sari su" (gelbes Wasser).
Gelbes Wasser klingt ungesund - schwarzes Gold lässt Kassen klingeln. Die Gebrüder Nobel sorgten im 19. Jahrhundert für einen Wirtschaftsaufschwung.

Das Hotel Wolgograd: alt, ehrwürdig, zerstört und wiederaufgebaut. Der Delegation Bleibe.
Die Stadt war Umschlagplatz, der Fluss die Lebensader - die zu kappen, war das Ziel im Krieg. 1925 (bis 1961) war es die Stalinstadt - Stalingrad. Heute ist Wolgograd eine Heldenstadt.

Sonntag, 20. April 2014

Perun, Daschbog, Semargl und Mokosch

So stell ich mir den Auftrittsort in Wolgograd
Foto aber in Wörgl gemacht
Ja, das sind Slawengötter.
Ja, morgen heb ich ab. Schwechat - Moskau - Wolgograd. Ja, ich bin nervös. Ja, ich hab mich halbwegs vorbereitet und zum Beispiel "Mein russisches Abenteuer" von Jens Mühling gelesen, die Kreuzersonate im Gepäck und hab mir auch einen "Russisch Wort für Wort" Kauderwelsch Sprachführer besorgt.
Um die russische Deklination ("sechsköpfige Monstren" nennt sie Mühling) in den Griff zu kriegen, wird das natürlich nicht reichen. Aber ich werde mich bemühen, freundlich zu sein, regelmäßig zu bloggen und Fotomaterial zu liefern.
Jens Mühlings Buch möchte ich aber an dieser Stelle schon mal allen ans Herz legen. Eine Woche Wolgograd. Eine Millionenstadt, die wohl eher als Stalingrad berüchtigt und bekannt ist. Österreichtage in Wolgograd.
Ich bin gespannt und freue mich auf Unerwartbares. 

Samstag, 5. April 2014

Schokomasse und Bergmassive - oder die Kunst der Verführung bei Bergers zu Lofer

Temperierrohr oder der Schokoquell
Wir fahren von Salzburg Richtung Lofer. Machen eine Ehrenrunde im Walser Kreisverkehr. Da steht nämlich ein Walser Birnbaum in einer Art Calimero-Schale. Wir fahren vorbei an vielen Betrieben, an Zäunen hängen Werbebanner mit Anzugmännern die Festnetz-Tastentelefonhörer ans Ohr halten und sich als diverse Versicherungsmakler präsentieren. Wir passieren einen Trödelverkauf, eine Forellenräucherei, ein Landratsamt, ein Bergwachtsheim. Tiere, die wir nicht kennen, weiden im Grün. Wir überqueren dauernd Gewässer, die Unkenbach, Saalach und Schwarzbach heißen. Wir kurven uns voran. Schilder amüsieren uns. Es geht nach Schneuzelreuth, zum Kniefpass, zum Röhrenwirt. Hangsicherungsgitter bewahren uns vor Steinschlag, nicht aber vor Steinmauern.
Mieze beim Hasenguss
Die hat man gern hier. Fensterumrandungen sind hier offenbar auch ein Muss. Es gibt aber auch nackte, neue Häuser. Die sind dann schnittig modern in Reihe mit Tiefgarage und Grasbalkondeko oder sonst irgendwie trendig kunst-am-bauig. Es reichenhallt. Da ein Waffeneck, dort das Café Bobo's, Deppenapostrophen dort und da, Schiständer auch. Die Fleischhauerei heißt Rass und der Familientagespass kostet 82 Euro. Rundherum – klar – Berge: die Reither und die Lofer Steinberge mit dem Reifhorn (2504 m) in der Mitte. Das gibt sich matterhornig, schneebedeckt und exponiert. Der Ort hat noch Läden keine klassischen Vorstadt Fressnapf-Drive-in-Baumax-Gebäudekomplexe. Unser Ziel ist die Firma Berger (feinste Confiserie). Unser Vorhaben ist eine Fotostrecke. Unsere Aufgabe Osterhasen herzustellen.
Wir (dem mit dem Doppelkinn, die mit dem Doppelsinn) produzieren Schokoladenhüter -
 Wir machen das in schokobraunen Mänteln und in weitgehender
Lachende Hasen und lauernde Formen
Unkenntnis des Prozesses. Wir lernen aber schnell. Schokolade fließt und härtet schnell. Wir arbeiten langsam. Wir sind keine Schminkroboter. Wir pinseln händisch mit weiß, braun, grün, oranger Qualitätsschokolade. Die Formen sind negativ und spiegelverkehrt zusammenzuklappen. Das erfordert schon Umdenken genug. Wir tupfen, verstreichen und streifen Hasen, wir malen uns fette Blumen aus und verleihen Schlappen Ohren Pfiff. Wir verlieben uns in das Temperierrohr (das ist eine nie versiegende Schokoladenquelle, ein Schokobrunnen im Loop). Wir verlieben uns generell in Wörter: Schokoladenfladen, Knuspernougatmänner, Knallbrausenhase. Wir füllen die Formen großzügig. Wir sind nicht die Gramm-, wir sind die Kilo-Klasse. Wir haben ein Faible für die Rüttelplatte, die die Hasen hoppeln und die Form auskleiden lässt, die Schokoschleuder erinnert uns an Prater-Attraktionen - „Jetzt geht’s up and down und hoch und her und rauf und runter und munter weiter bis zum Magen Bruch!“ - nur beschert die Schokoschleuder den Hasen ihre generelle Hohlheit, wohingegen
Mieze malt
Prater-Attraktionen maximal für Magenfreiheit sorgen. Wir geben den Hasen Zeit, zum hart werden und verbeißen uns einstweilen in Konfekt und alkoholische Eier. Wir schauen angehenden Pralinenmeisterinnen beim Mandelsplitterstreuen und Verpackerinnen beim Zellophaneinschlagen zu. Wir dringen in den Bürotrakt ein, Anschauungsobjekte unter Glasstürzen, Bürokräfte vor Bildschirmen, im Eck das Besprechungszimmer mit rundem Tisch und freier Sicht auf die Bergmassive. Wir sind überwältigt, obersgetrüffelt und voll edel satt. Couchierte man uns jetzt, wir wären feinste Masse, Walzengut bester Qualität. Wir werden informiert, beschenkt und betütet. Wir schütteln Chefitäten-Hände wie vorher Hasenformen. Wir fühlen uns bestens behandelt und lassen uns im Verkaufsraum verführen. Wir kaufen Geschenke für mehr Freunde als wir haben, aber wir haben Freude und noch was vor.
Der bekennende Grobmotoriker schaut zu und ist um Schadensbegrenzung bemüht
 In Wals wartet die Ostereierbemalerin, in Salzburg der Wetterhahnherstellmann. Hase – Eier – Hahn – Firma – Frau – Mann.
Eine runde Sache, ein bunter Ostertrip, eine Fotostrecke mit Mieze Medusa und Markus Köhle am nächsten Donnerstag im Magazin ihres Grauens: NEWS