Samstag, 16. Mai 2015

Autogrammstunde in der Weltausstellungshalle

So macht Buchmesse Spaß. Überschaubare Hallen, dahinter Luna Park, jede Menge Biergärten und andere Vergnügungsmöglichkeiten und auf der Messe interessiertes Publikum. 9 Texte wurden ins Tschechische, das Gespräch simultan übersetzt und ich kann nur gefühlsmäßig sagen - es war toll!
Tolles Gespräch, Publikum, das ausharrte. Offene Ohren, Münder und staunende Augen. Danach signierte ich tatsächlich länger als vermutet. Dass es noch immer so viele AutogrammjägerInnen gibt, war mir nicht klar.
Nach Runterkommbieren war es Zeit für das Eishockeyhalbfinale in einer typisch tschechischen Kneipe. Ich versuchte, möglichst viele Striche auf meine Liste zu bekommen, die Tschechen beschieden sich leider mit 0 Toren. Der Stimmung tat es - ja, schon doch - einen Abbruch. Sie schlurften alle heim. Ich eh auch - zur Regeneration - und um das zweite Halbfinale anzuschauen.
Ein Absacker muss wohl noch sein.
PRAG wummst!

Kneipenjazz in Prag - Mayröcker in Ljubljana

Sonntag bis Donnerstag in Ljubljana: Mayröcker-Lyriktag, Poetik Vorlesung und Poetry Slam Duell im Trubar Literaturhaus. Jetzt auf der Buchmesse Prag. Gestern Empfang im Goethe-Institut, das 25 Jahre feiert, in der Masarykovo Nábrezí (zwei Hasheks fehlen) liegt und früher die Botschaft der DDR war. Das ist direkt hinter dem Nationaltheater am Fluss mit Blick auf die Burg. Links von mir saß Thomas Brussig, rechts Michael Stavaric. Wir hatten je drei Minuten Zeit für Texte und dann jede Menge Zeit für Essen, Trinken, etc.
Apropos Essen: Die Essiggurke genießt hier noch einen anderen Stellenwert. Weder beim Goethe-Institut-High-End-Buffet noch beim Frühstück im Hotel musste ich auf stattliche, längs gevierteilte Essiggurkenschiffchen verzichten. Ich griff gerne zu, weil Essiggurken ja so wunderbar mit Bier harmonieren und Bier ist in Prag ja nie sehr fern.
Wurde dann auch noch Zeuge eines einmaligen Kneipenjazzkonzerts. Bin da als einziger Touri reingeraten, hab es nicht bereut. Das Bier kostete sagenhafte 26 Kronen. Die Sängerin trank Schnaps und Rotwein, Gitarrist und Bassist alles andere auch.
Heut um 13 Uhr gibt es 40 Minuten Köhle auf der Buchmesse inklusive Übersetzung ins Tschechische. Ich freu mich auf den Klang und geh jetzt Kaffeetrinken.

Mittwoch, 6. Mai 2015

Stacheln aus Osch im pur:pur

Ach, schön war's im pur:pur beim ersten Poetry Slam in Bischkek. 13 TeilnehmerInnen, eine Jury, die sich treu blieb und ein versöhnlicher Ausgang: Sezim aus Naryn und Slawa aus Bischkek ex aequo auf Platz zwei und die Siegerin des Abends kam aus Osch und hieß Nursat.
Das Team aus Osch erwies sich in Summe bestens gecoacht und motiviert und so geht die inoffizielle Teamwertung auch an Osch bzw.: Tattu, Bermet, Muslima, Elmira und Nursat.
Das pur:pur ist wie geschaffen für einen Poetry Slam. Schön schummrig, die Chefin hat einen ausgeprägten Hang zu Tom Waits Nummern, Schwarz-Weiß-Stumm-Filmen und ein Ohr für deutsche Texte, weil sie jahrelang in Köln lebte.
Siegerin Nursat ganz in weiß mit großer Geste
Auch der Chef der Produktionsfirma, die für die Aufnahme des historischen Events engagiert wurde, sprach fließend deutsch, weil er jahrelang in Bielefeld, Düsseldorf und Stuttgart studierte, ehe er sein Hobby in seiner Heimat zum Beruf machte. Ein paar Ex-Pats gesellten sich ebenso dazu wie GIZ-Bedienstete und DAD- und Bosch-LektorInnen. In Summe ein würdiges Publikum, eine würdige Kulisse und ein herzlicher Abend.
Nachdem Kristina das Projekt und ich die Regeln eines Poetry Slams erklärt hatte, ließen wir die Chose los gehen und zogen die Nummer eins: Slawa. Der legte einen expressiven Start mit einem Text über Angst hin und erntete gleich einmal die erste 10 des Abends und insgesamt 28 Punkte. Das sollte nur noch einmal von Sezim mit ihrem frechen Text, indem sie niest, spuckt und ausbricht aus Rollenbildern erreicht und schließlich von der Siegerin Nursat überboten werden. Nursat schrammte knapp am Höchstvoting vorbei, erhielt 29 Punkte für ihren Text über nicht zu unterschätzende Kopftuchstachelrosen.
Gespannte Blicke und erleuchtete Hüte
Blumen gab es dann für alle. Bier für alle die wollten. Ich sprach dem weißen Bären zu, bis der Zapfhahn nichts mehr her gab, was dramatischer klingt, als es war. Ich lernte deutsche Jungs kennen, die ein faires Laptoptaschenprojekt in Filz und Leder in Kirgistan realisieren und demnächst auf der Fesch-Markt in Wien auch ausstellen. Ich trank zur Feier des Tages einen Wodka und verschüttete einen weiteren und dann konnte getrost glücklich heimgegangen werden. Ein schöner Abschluss eines gelungenen Projekts. Vielen Dank Kristina Zulus!

Dienstag, 5. Mai 2015

1. Poetry Slam in Bischkek

Man gibt sich Mühe, mir den Aufenthalt zu versüßen
Bischkek: TAG 9
Heute wird geslammt in Bischkek und zwar im purpur, ab 19 Uhr. Es gibt heiße 15 Anmeldungen und tolle Preise. Das purpur ist grad um die Ecke des Interhouse Hostels, dh mein kürzester Weg zu einem Poetry Slam ever. Die PoetInnen kommen aus Osch, Naryn und Bischkek. Werden zum Teil von der Bosch-Stiftung eingeflogen - vielen Dank dafür Kristina Zulus - und werden heute um den ersten Poetry Slam Titel in ganz Mittelasien lesen. Papa Slam freut sich und ist gespannt, zumal ja alle TeilnehmerInnen von mir gecoacht wurden.
Jetzt noch schnell Süßigkeiten für das Publikum besorgen, der Rest ist vorbereitet und in viereinhalb Stunden geht es los.

Heute ist übrigens Feiertag hier - Tag der Verfassung - und der 9. Mai wird noch größer zelebriert. Jetzt schon überall Flaggendschungel, Plakatwälder, Denkmalaufläufe. Da bin ich dann leider schon wieder in Österreich. Aber war jetzt ja auch lange genug.
Apropos genug, genug hab ich jetzt auch von der kirgisischen Küche, ihr aber noch ein zwei Gedichte gewidmet.
Zum Beispiel dieses (Mante = Teigtaschen mit Fleisch, Kurdak = Hammelfett, Borsok = rausgebackene Teigwuzerl gern mir süßer Soße, Tschak-Tschak = noch süßer):

Ohne Gedicht habe ich nicht gegessen!

Ich wünsch mir einen Mante-Mantel
Mit Kurdak in den Taschen
Dann wär mir niemals kalt
Und hätt ich Hunger, könnt ich naschen
Ich wünsche allen alles Süße
Borsok-Borsok Tschak-Tschak
Ich wünsche schönen Abend, das ist es, was ich sag
In dieser tollen Location findet der erste Bischkek Poetry Slam nicht statt


Montag, 4. Mai 2015

Im Land der Beitschetschekeis

Naryn: TAG 6
Ich sitze in Naryn, dem entlegensten Winkel der Erde, den ich bis dato in poetischer Mission aufgesucht habe und denke über die mediale Transformation der Lebenswelt nach.
Ich sitze in einem privat vermieteten Zimmer, spreche weder kirgisisch noch russisch und teile der Vermieterin vermittels Fingereinsatz meine Abreisezeit mit. Sie zückt das Smartphone und kommt nach Getippe schließlich zum gleichen Ergebnis: 10. Ja, 10. 2 mal Besch Barmak. Besh Barmak ist das kirgisische Nationalgericht, es heißt soviel wie fünf Finger, weil es mit den Fingern gegessen wird. 

Ich sitze in Naryn, dem Verwaltzungszentrum des Oblasts der ebenso Naryn heißt, wie auch der Fluß, der durch die Stadt fließt, die schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Naryn besteht im Wesentlichen aus der Ulica Lenina, einer schmaleren Entlastungsgasse und einer Abzweigung. Klar: Moschee, Basar, Lenindenkmal und eben auch eine Universität mit Deutschabteilung.
Ich sitze in Naryn und bin überwältigt vom Naryn-Gebirge: auf einer Seite die perfekte Westernkulisse mit schroffen, rotbraunen Felsen, auf der anderen zuerst liebliche Hügel in grün, die übergehen in immer mächtigere Berge, die das ganze Jahr über schneebedeckt sind und dahinter blitzen aus der Ferne vergletscherte 5-6-7-Tausender. Das lässt selbst einen Tiroler-Bua nicht kalt.

Ich sitze in Naryn und erkläre einer Gruppe Deutschstudentinnen, was ein Poetry Slam und was Slam Poetry ist, dass Vergleiche nicht nur naturbezogen sein können, dass ein Gedicht nicht nur ernst und streng gereimt sein muss, dass Poesie in allen Dingen steckt, ja, sowohl im Smartphone als auch im noch blutigen Schaffellhaufen der am Basar zum Verkauf angeboten wird. Ich werde die Wichtigkeit und Tradition mündlicher Literatur hervorheben und dabei wohl auf offene Ohren stoßen, zumal das Epos über den kirgisischen Nationalhelden Manas ja auch ein Vortragstext ist, der mit ähnlichen Techniken der Aufmerksamkeitsgewinnung arbeitet. Ich werde sagen, dass Poetry Slam gewissermaßen der Minnesang von heute, bzw. das Poetry SlammerInnen moderne Manastschys sein können. (Manastschys = Erzähler des Manas-Epos). Ich werde die Studentinnen dazu aufmuntern, lautmalerisch tätig zu werden, den Klang der Sprache und den natürlichen Rhythmus thematisieren und, und, und...


Sonntag, 3. Mai 2015

Präriefeeling und Rallyesonderprüfung

Osch-Naryn: TAG 5
Schlaglichter einer Reise (7Uhr30 bis 17Uhr)
* Und der, der am grimmigsten ausschaut, ist in Camouflage-Montur, trägt stolz ein Funkgerät und schwere Stiefel und ist am Rollfeld dafür zuständig, dass niemand ein Foto macht. Osch-Airport spionagegefährdet?
* Die Pegasus-Stewardessen-Uniformen sind elegant-retro-fesch. Alle schauen aus wie Schmuckschatullen mit dezenten Goldschnörkeln.
* Der Bus-, Taxibahnhof in Bischkek wartet mit einer Bezahltoilette auf, die viele Menschen meines Bekanntenkreises einen Nervenzusammenbruch bescherte.
* Wir kaufen uns eine PKW-3er-Bank zu zweit und warten auf einen weiteren Fahrgast für vorne.
* Los geht’s gleich mit einer ziemlichen Puckelpiste samt Gegenverkehr. Eine schöne Einstimmung auf fünf Stunden Rallye.
* Unser Fahrer holt alles aus seinem fünfundzwanzig Jahre alten Toyota raus. Polizeikontrollstellen passiert er mit am Schaltknüppel eingehängtem Gurt. Ja nicht richtig anschnallen!
* Autowerkstätten sind hier noch richtiges Handwerk.
* Großes Hexenbesenangebot am Straßenrand.
* Jetzt grünt ja grad alles und blüht. Werbesprüche werden mit weißen Steinen in den Hang gelegt. Eine dezent-sympathische Methode, die der Landschaft entgegen kommt und dann steht wieder irgendwo ein Denkmal.
* Ja, Erwin Einzinger hat recht: „Ein kirgisischer Western“. Die Kulisse passt: Präriefeeling. Eine verlassene Bahnstrecke aus dem Anno Schnee, windschiefe, hölzerne Strommasten, Steppengrasbüschel, rötliches Gestein, Felsen, frei galoppierende Pferdeherden, Kühe mit Hörnern (gerne bunt eingefärbt), nur die Cowboys schauen anders aus mit ihren weißen Filzspitzhütchen und ihren vollen roten Backen.
* Esel stehen unbeeindruckt auf der Schnellstraße und störrischen vor sich hin.
* Raststättentoiletten legen in Punkto Grindfaktor noch eins drauf: drei dreieckige Löcher im Boden, dazwischen kniehohe Anstandsmäuerchen: 5 Som.
* Ja, hier leben mehr Schafe als Menschen und am stärksten sind Schlaglöcher vertreten.
* Schlaglochslalom-Downhill-Race! Grenzenloses Vertrauen in Stoßdämpfer und Bremsscheiben.
* Ein richtiger Pass kennt keinen Asphalt!

Osch: TAG 4
Ist dann doch immer wieder überraschend, wenn man beim Frühstück in ein süß aussehendes Brötchen beißt und es mit Zwiebeln und Fleisch gefüllt ist. Da kommt Freude auf und Gestern hoch. Denn gestern war natürlich auch Zwiebel. Der Frühstückskoch sitzt gebannt vor dem Fernseher. Es wird geboxt, da bleiben die Pfannen kalt. Für einen – noch dazu mich – steht er nicht auf. Na dann halt Löslichkaffee und Omelette mit Wasweißich. Ach, wär's nicht halb acht und bräucht ich nicht Kraft, schliefe ich noch, Herr Koch. Aber es warten Poetry-Slam-hungrige Studentinnen auf mich!