Sonntag, 3. September 2017

Sonntagvormittagsblues

Für den Fall, dass man sich einmal zu gut fühlen sollte, ein Spaziergang an einem Sonntagvormittag in einer Kleinstadt nach Wahl schafft Abhilfe. Es gibt Gründe, warum man Sonntagvormittage am besten verschläft. Aber ein StaTTschreiber muss neugierig sein und an Sonntagvormittagen lernt man Städte auf ganz eigene Art und Weise kennen. Es gibt sicher eine Statistik über die Suizidhäufung an Sonntagvormittagen.
Mein dritter Welstag. Mein dritter Regentag. StaTTschreiber ist auch eine Außendiensttätigkeit. Ich beginne langsam zu schimmeln. Aber ich will die Stadt ja kennen lernen und Wels ist eine große Kleinstadt. Also: Regenmarsch. Ja, ein StaTTschreiberposten ist kein Sonntagsspaziergang.

An Sonntagvormittagen bei Regen in Kleinstädten lässt sich eine Zombieapokalypse sehr gut vorstellen. Ich fühle mich wie Cillian Murphy in 28 Days Later, wandle zwar nicht durch London aber durch Wels und bin auf der Suche nach Eindrücken, Einheimischen und einem Frühstück.

Da gibt es zwar ein Frühstücksbuffet aber nur bis 10Uhr30 und um 11 müsste ich gehen, weil Sonntag ist halber Ruhetag. Dort gibt es zwar ein Frühstück aber man müsste die Sonntagsmesse, die aus dem Radio katholt, erdulden. Ich beschließe, gar nicht so hungrig zu sein, kaue Gedanken und imaginiere mir ein fürsorgliches Gegenüber.

Wie fühlst du dich? Grabesgrau.
Wie fühlst du dich? Waschbetoniert.
Wie fühlst du dich? Murmeltierfett.
Wie fühlst du dich? Wie ein StaTTschreiber an einem regnerischen Sonntagvormittag in Wels.

Aber angeblich braucht es ja Leidensdruck, um schreiben zu können.
Diese Grundstimmung wäre geschaffen.
Ich stelle mir also vor, von Welszombies aufgelauert zu werden und begehe Schreibflucht.

Wels schlemmt

Meine Ernährungsgewohnheiten sind falsch oder zumindest nicht ortsüblich. Denn zum Kaffeetrinken geht man nicht auf den Welser Wochenmarkt. Das Kleine Café hat große Preise. Ein kleiner Schwarzer im Stehen 2 Euro 50. Der Most nebenan kostet nur 1,30.
Ob Gamper's Hendl in Bierteigkruste wirklich – "ob im Osten oder im Westen" – die Besten sind überprüfte ich nicht, ich setze mir die „Genuss-Krone“ auf und entscheide mich vorerst bloß für ein Mostweckerl (noch nie gegessen, gerne wieder). Jetzt sind meine Sinne einigermaßen geschärft und mir gehen die Augen über.


Der Welser Wochenmarkt hat einen Eintrag ins Guiness-Buch-der-Rekorde verdient, denn er ist definitiv der Ort auf Erden mit der höchsten Bratlfettdichte. Nähme man die gesamten Bestände aller Anbieter am Welser Wochenmarkt zusammen, es ließe sich locker eines der Schwimmbecken im Poolpark befüllen und ich bin mir sicher, dass viele Menschen sehr viel dafür geben würden, einmal im Leben in Bratlfett schwimmen zu können.

Das wäre mein Vorschlag fürs Welser Volksfest: Bratlfettkraulen. Bratlfettkraulen hat doch auch viel mehr Bezug zur Region und zur Bevölkerung als die angekündigte Attraktion Buspulling. Wobei, nichts gegen Buspulling. Die Siegerinnen und Sieger des Buspullings könnten mit einem Pool voll Bratlfett belohnt werden. Das wär doch was.

Ich mag Bratlfett. Ich mag auch Leberbunkln, Süßlupinienbällchen, Sprossenherzerl, Ochsen-Schlepp-Markknochen, Speckkrusteln. Ich mag die Grillkohle, die „Nero“ heißt. Ich mag das Angebot an sich hier. Abgesehen vom Kaffee alles spitze. „Der Geschmack heißt Mangalitza“. Die Leberkässemmel kostet einfach 2 Euro, da wird nicht herum gewogen. Die „Feuersteiner ist nichts für Würst'ln“, „Hilde's Hundekeksi“ sind nichts für mich.

Aber am Welser Wochenmarkt gibt es für alle was und der Andrang zum Glühbirnen-Restpostenabverkauf und zum Selbstschutz-Stand ist mäßig. Der Selbstschutz-Stand macht mit Pfeffersprays, Alarmsystemen, allerlei Gerät, das ich nicht zu benennen vermag und Sirenendemonstrationen auf sich aufmerksam, doch am Welser Wochenmarkt ist die Devise eindeutig: Selbstversorgung statt Selbstschutz.
Das Schild in der Markthalle bringt das am besten auf den Punkt: „OLLE SAND BRAV“