Samstag, 29. Dezember 2018

On the rail again


Ja, ich schiffe gerne in den Almsee in Oberösterreich und selbst wenn ich das nicht wirklich tue, freu ich mich, dass mir die ÖBB diese Vorstellung ermöglicht und mich von einem zugigen Scheißhaus kurzzeitig in eine wildromantische Idylle entführt und eben in den Almsee eintauchen und mit diese – qua Urinstrahl – gar Verbindung aufnehmen lässt. 
Ich scheiß aber auch gern auf Sölden.

Und ich steh auf die Österreich-Card. 2018 war wieder ein intensives Zugjahr. Ich kann aber dennoch nicht behaupten railjetlagged zu sein. Ich bin kaum zu spät angekommen, gelegentlich zu spät heim, hab kaum keinen Platz bekommen, gelegentlich war's eng. Es hat mir nie wer auf die Füße gekotzt, einen Kaffee aufs Auftritts-Shirt der nächsten drei Tage geleert oder das Gepäck geklaut. Ich durfte die happy hour von Prag nach Wien gezapftes Budweiser trinkend genießen und probierte mich durch die DON Speisekarte, ohne gröbere Schäden davon zu tragen, weil ich diese - um wieder zum Anfang dieses Eintrags zurück zu kehren - stets vor (dem stillen) Ort ließ und eben mit Genuss in die jeweilige Landschaft pfefferte. 
Danke ÖBB! Auf viele zukünftige Kilometer und Entleerungen. Schönes neues 2019.


Samstag, 22. Dezember 2018

Die Babelfischfarm der hyperrealistischen Hyperbel

Ein beliebter Schlachtgesang lautet: „Immer wieder Österreich“. Helmuth Schönauers aktueller Roman trägt den Titel: „Nie wieder Tirol“. Das ist eine Ansage. Der Untertitel lautet: „Fahren Sie weiter! Es gibt nichts zu sehen!“ Die Gattungsbezeichnung: „Kampf-Roman“. Damit ist schon sehr viel gesagt, quasi: Immer wieder nie wieder Tirol und zwar in 15 Entladungen (Dick-, Dünn-, Mast- und 12 Fingerdarm = insgesamt 15).
Wer Literatur von HeSchö kennt, weiß: Auch derb muss sein. Offen wie ein künstlicher Darmausgang ist diese Prosa. HeSchö demonstriert, dass Locker-Room-Talk für Tiroler nichts anderes ist, als locker rumreden. Sei's im Landtag, sei's in der Literatur und der aktuelle Fall des SPÖ-Vorsitzenden Dornauer beweist, wie treffend die bewusst übertriebene Literatur HeSchös im Kern eigentlich ist. Da bleiben die Formulierungen oftmals in der Horizontalen und kommen nicht recht auf, prangern aber genau diese Ausdrucksweise damit auch an. Ja, Literatur ist ein Spiegel. HeSchös Literatur ist kein gesellschaftlicher Schminkspiegel sondern ein kollektive Darmspiegelung.
Werner Schwab hat einen Essay mit dem Titel „Der Dreck und das Gute“ geschrieben. HeSchös Literatur ist sehr sekret- und körperabriebaffin und immer geht es um alles, um alles, was scheiße ist. Tagespolitik gehört da naturgemäß dazu. Von Missständen im Festspielhaus Erl, über Mist in diversen, geförderten Startup-Zentren, bis zum Stau an allen Fronten: Kopf, Grenzen, Genitalien. Der Verkehr wird als Grundproblem entlarvt. Zuviel Verkehr da – zu wenig Verkehr dort. Und wenn sich so viel anstaut, dann muss es irgendwann explosiv raus. HeSchös Grundstilmittel dafür: die Hyperbel. Die Hyperbel könnte auch eine Figur in HeSchös Romanen sein. Sie könnte beispielsweise in einem zu Tode tourismus-terrorisierten Seitental japanische Schlafschachteln vermieten. Und HeSchö ist hyperrealistisch, nichts ist ganz aus der Luft gegriffen (Darf ich mir einen Roman mit dem Titel „Die Babelfischfarm der hyperrealistischen Hyperbel“ wünschen?). Alles, was er thematisiert, schwirrt schon in der Luft, stinkt schon längst und gehört ausgesprochen. HeSchö speibt's gern raus. Er ist Katalysator. Das müssen nicht alle mögen. Man kann es aber auch so sehen. HeSchö greift für uns ins Klo und wir können uns an seiner Literatur abputzen.
Endlich ist die Schranzhocke literarisch verewigt, endlich hat auch mal jemand über Reutte geschrieben, endlich hat das Bergisel Museum eine entsprechende Würdigung erhalten. HeSchö prangert den Landausverkauf gleichermaßen an wie die Ausbeutung von temporären Arbeitskräften im Bio-Radieschen-Ernteeinsatz in den Thaurer Feldern. HeSchö hat seinen Spaß an der Vorlass-Kisten-Bearbeitungs-Germanistik und der Verzwergung der heimischen Verlage. Wir lernen, was es bedeutet, einen Felix zu machen und wie das Klier-Aquarell-Lebensmodell funktioniert. Und weil HeSchö immer auch Bibliothekar und Literaturvermittler ist und bleibt, gibt es am Ende eine leser_innenfreundliche Thesenstraffung: „Dieses Buch macht Ihnen ein Angebot für den günstigsten, erlebnisreichsten und witzigsten Urlaub, den Sie je erlebt haben. Bedingung: Sie dürfen nicht nach Tirol fahren!“
Wer brav über sein Land schreibt, darf zur Belohnung Gebrauchsanweisungen, Reiseführer oder gar Kolumnen in offiziellen Tirol-Magazinen verfassen. HeSchö schreibt seit Jahrzehnten über Tirol (was die Kontinuität betrifft also sehr, sehr brav) aber niemals inhaltlich brav und das ist gut so, denn brav und gut und harmlos ist schon so vieles. Nie wieder brav! Immer wieder Schönauer.

Helmuth Schönauer
Nie wieder Tirol
Edition BAES 2018

Montag, 26. November 2018

Joshua Cohen bei Anderswelten

Gestern war Joshua Cohen bei Literatur im Herbst im Odeon Theater. Gestern war auch DUM Präsentation im Anno. Klar, ich war im Anno. Klar, ich wäre gerne auch bei Cohen gewesen. Ilija Trojanow hat ihn vorgestellt und im Wespennest nicht wirklich positiv besprochen. Dem möchte ich meine Begeisterung entgegen halten und hier mein Lektüreprotokoll, so wirr wie das Buch irre ist, preisgeben.

Joshua Cohen beauftragt Joshua Cohen mit dem Schreiben einer Biografie. J. C. 1 Ist der Große Vorsitzende von „Tentration“ (nenn's Google). J.C. 2 ist ein Schriftsteller am absteigenden Ast, was seinen Zynismus nährt. Mit erfolgreichen Menschen – auch seinen Freunden, auch seiner Frau – hat er ein Problem, für andere – zB den neuen Schauspielerfreund seiner (Noch)Frau hat er nur Verachtung über. Drogen aller Art werden nicht als Problem wahrgenommen. Das gemeinsame Kind nicht als Möglichkeit eines Neustarts. Ein nachlässig geführtes Interview mit dem GroVo bringt ihn schließlich den Job ein, der alles ändern könnte, könnte er sich bloß ändern, dieser J.C.2. Dazu sieht er aber vorerst keine Veranlassung. Er sieht nur sich und findet sich gut. Nach Suchen ist ihm nicht. Suchen aber ist das große Geschäft von J.C.1., der sich seinen Ghostwriter nicht ohne Hintergedanken ausgesucht hat. Klar, der GroVo hat was am Kasten, ist Techie aber auch philosophisch und theologisch beschlagen, kommt aus gutem, spannendem Hause und hat in seinen Tonbandprotokollen viel zu sagen und zu berichten. J.C.1 ist zweifellos genial, das Hardware-Genie Mo bringt den nötigen Wahnsinn in die Story und in das Unternehmen und bis mal wer kapiert, was diese Freaks mit ihrem Algi vorhaben, machen andere Start-ups schon Millionen. Das kommt für Tentration auch noch. Dass wer sucht, von anderen gefunden werden kann, ist das big business: big data im alten Jahrtausend. Mo, der Tüftler, Bastler, Fernbedienungs- und andere Gerätschaften-Erfinder. J.C.1 der, der in der Wir-Form von sich spricht und für humanistisch-theoretisch-technologischen Hinterbau sorgt. Denn die studentischen Experimente führten nur deshalb nicht zum Rausschmiss, weil die M-Einheit (so wird die Mutter genannt), Uni-Prof und ein Heimkehren-immer-möglich war. Der Aufstieg gelang dann erst, als die Geldgeber ihre Bedingungen durchsetzten – einen Geschäftsführer, der sich wäscht und auftreten kann (Kar). Und weil am GroVo der Bauchspeicheldrüsenkrebs nagt, packt er aus und J.C.2 hat zu transkribieren.
1 – 0 – 1 so ist das Buch der Zahlen unterteilt. Der mittlere ist die Tonbandtranskription. Im ersten die Einführung J.C.2 und im dritten Ava's (Frau von J.C.2) Blogeinträge, diverse Mails an den Abgetauchten J.C.2 und dessen Trip von Dubai nach Berlin, Frankfurt, Wien, die geschlagene, verschleierte Frau und J.C.2s-Heldenaktion inklusive erneutem Seitensprung wäre noch zu erwähnen. Die Buchmesseneskapade oder auch der Tod seines Agenten und und und. Der Y2K Bluff, die diversen Vorgeschichten, das Jüdische, Buddhistische, Hinduistische, anderweitig Metaphysische...
Formal gibt es: Mails, Blogeinträge, Transkriptionen, Romanauszüge, Mitschriften von Museumsführungen, Zitat aus Forschungsliteratur, Gestrichenes, noch Auszuarbeitendes, …
Inhaltlich: Suff, Sex, Gewalt, Genialität, Wahnsinn und Überwachung, Stadt, Macht und Kontrolle...
Da wird aus einer Wissensfülle geschöpft, die platt macht und auch poetisch besticht. Die Sprache ist so was von auf der Höhe der Zeit und vom klassischen Literatursound wohlig abgespeckt – da spritzt das Fett (=Wortgeschmacksverstärker) bloß so...
Alles drinnen in diesem Buch und dann noch funkelnde Details und generell brillantes Schreiben, egal, um was es grad geht. Mutig, frech, klug, unantastbar ist das, unerreichbar. Kein Nach-unten-treten vielmehr ein Den-Mächtigen-die-Stirn-bieten. Keine Angst vor gar nichts aber alles können und sich erlauben und es dabei nicht unlesbar heraushängen lassen.
Ein Ziegel, ein gewichtiges, wichtiges Stück extrem aktueller Literatur mit Vexierspiel- und Schlüsselromanmomenten. Weltliteratur – the hottest shit you can get 2018. Kniefall, Bewunderung, Perplexität und große Freude!

Mittwoch, 14. November 2018

Auf du und du mit Mattersburg


Gestern Eisenstadt. Heute Eisenkoch? Ja, nein, doch? Nein. Heute Frühstück in Eisenstadt und Vormittag in Mattersburg. Mattersburg ist 16 Kilometer von Eisenstadt entfernt und hat circa sieben Tausend Einwohner, Eisenstadt inetwa doppelt so viele. Aber was weiß wer aus den Bergen groß mehr von Mattersburg?Mattersburg im Burgenland. Mit Burgen hat frauman's hier offenbar ganz dicke.

Eine Burg ist kein Berg und Burgen baut man doch auf Bergen, nicht? So einfach ist das alles nicht. Die Berge verlaufen sich hier, sind aber noch sichtbar. Da der Schneeberg, der Tiroler in mir versteht Schneezwerg. Dort der Hausberg, der Forchtenstein. Forchtenstein klingt furchteinflößend.

Aber Mattersburg ist eine freundliche Stadt. Das wird am Ortsschild hervorgehoben. Gibt es eigentlich auch einen Mattersberg? Egal. Burg steht auch für Stadt. Ohne wehrhafte Anlage keine Stadt, ohne Stadtmauer keine Stadt, ohne Fußballstadion keine Stadt, ohne Literaturhaus keine Stadt, ohne Handelsakademie mit Fußballschwerpunkt (Ball der 14 Nationen) nicht Mattersburg, ohne Brutalismus-Relikte nicht Mattersburg, ohne Gehsteige: Mattersburg.

Ich rollkoffere auf der Fahrbahn zum Bahnhof, werde aber nicht überfahren, zwar geht sonst anscheinend niemand zu Fuß, aber Fußgänger_innen sind nicht per se Feinde. Denn Mattersbrug ist eine freundliche Stadt.

Mattersburg ist aber an diesem Novembermittwoch auch eine äußerst sonnige Stadt und frauman kann Mattersburg zweimal in der Stunde via Eisenbahntriebwagen verlassen.
Frauman kann aber auch relaxen in Lokalen, die so beruhigende Namen haben wie "Stress" oder "DJs Diner". Wer da nicht an die Gilmore Girls denkt, hat sie nicht gesehen. Frauman muss Mattersburg deshalb aber nicht gleich mit Stars Hollow vergleichen.

Ein Vergleich, den Mattersburg ohnehin leichtens gewänne. Denn Mattersburg gibt es und Stars Hollow nicht und - Brückenschlag zum gestrigen Beitrag - in Mattersburg gibt es, Dank LED-Lampen-Straßenbeleuchtung - mehr Licht!





Dienstag, 13. November 2018

Die entkoppelte Rossschwemme

Von Eisenstadt weiß manfrau ja nicht wirklich viel. Eisenstadt war nie als Landeshauptstadt vorgesehen, deshalb ist die Stadt an nichts angebunden, hat halt ein Schloss und außerhalb eine Schule für Militärkadetten. Haydn hauste eine Zeitlang hier, die Esterhazys länger. Der Bahnhof beeindruckt dadurch, dass er über keine Unter- oder Überführung verfügt. Manfrau geht einfach über das Gleis. Es führen ohnehin alle Züge an Eisenstadt vorbei. Und sollte doch mal einer das Ziel Eisenstadt haben, so muss frauman aufpassen, in Neusiedel nicht entkoppelt zu werden. Neusiedel lebt im Wesentlichen von der Eisenstadtentkoppelung und den so Gestrandeten. Neusiedel heißt nicht zu unrecht so.
Ob Eisenstadt Eisen hat, bleibt fraglich. Stahl entsteht in LD-Werken, Eisenstadt als E zwischen Linz und Donawitz reinzuschmuggeln bringt nichts Hartes nur Licht, mehr nicht (um in Anlehnung an Goethe zu sprechen). Das Kongress- und Kulturzentrum ist ein absurd großer Blechgitterkasten.
Das Hotel Burgenland baut auch auf Größe: Mein Zimmer hat einen Schrankraum, einen Wohnzimmervorraum, einen Badezimmervorraum, ein Schlafzimmer und ein Badezimmer. Circa 10 Meter Fensterfront erlauben mir, auf das Blechmonster ebenso zu blicken, wie auf den unendlichen Horizont. Ja, hier hügelt nichts mehr in der Landschaft rum, hier wird der Ball der Gegend flach gehalten. 
Früher gab es noch Lokale mit flotten Namen. Das Gasthaus Puff ist leider Legende, war aber weitum bekannt für sein Gulasch. Gemma auf a Gulasch ins Puff, hatte lange Zeit nichts Anrüchiges, bewies vielmehr genuine Zwiebel-Paprika-Rindfleischsaft-Odeur-Kenner_innenschaft. Natürlich gibt es auch ein Haydnbräu, ob die Plörre was kann, sollen andere testen. Haydn steht hier überall rum und behauptet, seine Sprache verstünden alle. Die Rossschwemme allerdings ist kein Lokal sondern ein Denkmal und war wohl wirklich mal eine Pferdebedürfnisanstalt.
Mehr hab ich bisher noch nicht erlebt, die Nebelsuppe gestern ist vielleicht noch erwähnenswert und apropos Essen: Im Bienenkorb gab es heute als Tagestischhauptspeise Waldpilzsackerl, was doch etwas zu bemüht (sprachlich) geriet, denn diverses Plundergebäck heißen wir ja auch nicht Blätterteigsackerl oder Topfensackerl. Hier darf durchaus das Tascherl ran. Außerdem waren es stinknormale Tortellini, die tatsächlich nur wenig nach Steinpilzen stanken, also wohlrochen und ob der Wohlrochen ein Speisefisch ist, weiß ich nicht. Ach, ich weiß ja so vieles über Vieles nicht.

Donnerstag, 1. November 2018

Die Relativität des Wohlseins

Der Oktober war mehr Sommer als Herbst und weil der Herbst, wenn er dann kommt, sicher mehr Winter als Herbst sein wird, habe ich mir gedacht: Fahr doch viel rum.
Das habe ich gemacht, nicht weil ich mich Zuhause nicht wohlfühlen würde, ich bin gerne Ottakringer und entdecke dort auch die schönsten Dinge (wie der letzte Eintrag beweist). Aber ich bin halt schon gerne unterwegs und freue mich, feststellen zu können, was anderswo unter Wohlfühlen verstanden wird.
In Klagenfurt geht Wohlfühlwohnen so: Pfeil abwärts, Tiefgarage! Alle Wortspiele erspare ich mir an dieser Stelle. Aber Respekt für diejenigen, die sich dachten. Ach, das wäre doch ein toller Platz für ein Schild mit der Adress unserer Web-Site. Da ist alles drauf, wofür wir stehen: Beton, Asphalt, Garage, Keller, Heiterkeit und Lebensqualität.

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Spaziergangsinspiration

Lieber AMS als Polizist!
Ya Man

Lieber Pferd also Polizist!
Yo Horse!

Lieber Vollhorse als Vollhorst!
Mühhaha!

Lieber SM als AMS
Yo Love

Lieber AMS-Amtsschimmel als Polizeipferd
Und am unliebsten Polizeipferdeleberkässemmel die von einem AMS-Amtsschimmel zur Vormittagsjause verzehrt wird.

Ein Spazergang in meiner Hood jedenfalls kann sehr inspirierend sein.

Ottakring rules!

Samstag, 6. Oktober 2018

Ausflug in die Vergangenheit und den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Die Vermessung der Angst (gesehen in St. Veit an der Glan)
Heute am Programm: Impulsveranstaltung sprachsensibler Unterricht im Oberland-Saal in Haiming in Tirol.
Die Geschichtsschreibung ist sich nicht einig, was die Herkunft Haimings betrifft. Es gibt zwei Fraktionen. Die einen meinen Haiming bestünde einfach aus dem gängigen Suffix Ing, das natürlich für Ingenieurinnen und Ingenieure unterschiedlichster Art steht. Und Haiming so schlicht die Heimstatt vieler Ingenieurinnen und Ingenieure war. Vielen ist diese Erklärung zu einfach, die graben tiefer und sind der Meinung, dass Haiming zur Zeit der chinesischen Ming-Dynastie entstand, als Beweis dafür dient dieser Ortsnamenerkundungsfraktion eine mit einem Hai verzierte Ming-Vase.
Aber darum soll es heute nicht gehen. Es geht um Auftakt und Nachschlag, um zwei Texte zu Beginn und drei zum Abschluss, zum Thema Sprache. Dazwischen gibt es einen Fachvortrag.
Das sind mir liebe Aufträge. Ich werde den Auftragstext zum Thema erstmals frei vortragen. Er heißt SMAT GUMF: Sprache mit alles to go und mit flow, ist nicht ganz einfach und relativ lang (8 Minuten). Ja, ich bin nervös. Bei Auftritten in Heimatnähe bin ich immer nervöser als normal. Wird schon schief gehen.

Ich werde zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn von meinem großen Bruder am Bahnhof abgeholt. Wir sind früh dran, wir sind in Haiming, dem Ort, an dem wir in den 1980er Jahren beim Stigger Hosen und beim Höperger Fleisch in Großmengen kauften. Der Höperger ist jetzt ein Café, eine Selchkammer ist der Raucherbereich noch immer. Noch zwei Stunden bis Beginn.
Dann Technikprobe. Nein, kein Headset. Am liebsten Stativ und Mikro mit Kabel, weil am wenigsten fehleranfällig. Wir haben nur Funk. Gut, dann halt Funkgurke. Wird schon halten der Akku. Wird schon keine Interferenzen geben (wird es dann doch gegeben haben, egal). Nein, sonst brauch ich nichts. Danke. Noch eineinviertel Stunden bis Beginn. 

Ich habe nichts zu tun, ich kann nichts mehr tun. Textproben geht jetzt nicht mehr, smalltalken fällt mir allerdings auch schwer. Abwarten. Noch eine dreiviertel Stunde bis Beginn.
Die Massen branden an. Verstecken ist auch keine Lösung. Ich kenne viel zu viele, manche viel zu spät. Da kommt eine Ex, da ein Bruder von einer ehemaligen Mitschülerin, da ein Mitschüler meines Bruders. Da die Nachbarin aus dem Heimatdorf, da der Lehrer, bei dem ich schon mal, dort die Direktorin, bei der ich auch schon mal... Noch eine halbe Stunde bis Beginn.
Ich flüchte in die erste Reihe. Hinter mir sitzt eine Leichtathletiktrainingspartnerin aus den 1980er Jahren. Sie hat viel zu fragen. Immerhin weiß ich auf Anhieb ihren Vor- und Hausnamen. Ich entschuldige mich und gehe an die frische Luft. Noch zwanzig Minuten bis Beginn. 

Oh ja, frische Luft tut gut. Es knistert in der Nase, erst knistert's, dann fließt's. Ich habe Nasenbluten. Ich habe nie Nasenbluten! Seit den 1990er Jahren nicht mehr. Da war's eine Nebenwirkung der Aknekur Roacutan. Da war ich nicht ich. Da war ich der, dessen Freundin aus jener Zeit jetzt im Publikum sitzt. Ich sprinte aufs Klo, stille die Blutung. Dann wieder auf den Platz. Es geht los. 

Ich kippe meinen vorsorglich neben dem Stuhlbein abgestellten Wasserbecher um. Rund um mich ein See. Textblätter nass. Ich auch. Hose: blau, hat tiefblaue Flecken an delikaten Stellen. Ach ja, Durchfall hab ich natürlich auch. Nicht jetzt, aber schon den ganzen Tag. Na, was soll schon noch passieren? Klar, ausgetrockneter Mund während des Vortrags. Lahme Zunge eineinhalb Minuten vor Textende und kein Zwischenapplaus mehr in Sicht. Höllenqualen. Da muss ich durch. Wenigstens hab ich den Text im Kopf. Ich würge ihn mit am Gaumen klebender Zunge zu Ende.
Applaus. Wa-sser. Wa-sser. Läuft. Jetzt kann's nur noch aufwärts gehen. Ich genieße das Bad in der Menge, im Text, bin endlich im Flow. Schön war's.

Montag, 24. September 2018

Vom Suchen von Buchen und Kuchen

Endlich da, der meterologische Herbst.
Endlich da, der Bücherherbst.
Endlich nicht mehr ganz so schön.
Endlich schön genug, um auf der Couch zu bleiben und zu lesen.
Alle schwärmen noch mal panisch aus ins Gelände, in den Wald, um Schwammerl für den Winter einzubunkern, alle kommen mit kiloweise Steinpilze aus dem Waldviertel zurück.

Ich geh in den Lainzer Tiergarten und umarme Bäume.
Ich suche und finde Buchen, fette, große, umarmungs- und verehrungswürdige Buchen.
Ich vergebe gerne Buchen-Hugs und ich verzehre und verziere gerne Kuchen.

Die Sachertorten-Klappmaul-Puppe (oben) hat zuerst ihr Unterkiefer verloren, dann ging's ihr scheibchenweise an die Stirn bis zur Sachertorenfontanelle. Ein Genuss, eine Freude. Herbst ist Buchzeit, ist Zeit für Kuchen. Ich lese los, ich beiße zu und schlucke.

Mittwoch, 29. August 2018

Sommerfrische mit Schiller und Chillern

"Kapitulation vor der Sonne" heißt eines der letzten Gedichte von Charles Bukowski aus dem Jahre 1993 und Bukowski ist ja der Friedrich Schiller der 1970er Jahre. Dass Schiller in St. Veit wohnte, ist nicht belegt, dass er es gerne bunt hatte, auch nicht. Fürs Foto aber machte sich das alles prächtig. 
Nach Griechenland kapitulierten wir vor der Sonne in Wien und flüchteten nach Kärnten. Wir machten Sommerfrische am Weissensee.
„Trinken? Oder denken? Lieber trinken.", entscheidet Buk und fügt hinzu: "Wir wurden zu Philosophen aus Stein auf der Suche nach Besserem. Wir haben viel Schaden angerichtet und sehen jetzt, was übrigbleibt: wir, ihr, sie und die Maschinerie.“ 
Kapitulation ist auch das Thema der Lesungen beim diesjährigen Volksstimmefest am Samstag, den 1. September (und auch am 2.) im Prater.
Der Sommer war lang un heiß, möge ein metaphorisch heißer Herbst folgen. Ansonsten gilt das Credo der Kids des Nachbartisches beim Frühstück neulich am Weissensee. "Du, chill mal mehr, du."

Dienstag, 15. Mai 2018

Meine Bank

Deine Bank sorgt für dich. Deine Bank stellt dich ins richtige Licht. Deine Bank rückt dich zurecht. Deine Bank lässt dich nicht im Sand versinken. Deine Bank weiß, was dir gut tut. Deine Bank ist dein Schuhlöffel in die Budapester Leben. Deine Bank spricht deine Sprache. Deine Bank kann überall sein - auch in Salzburg. Deine Bank mag etwas schräg sein, aber das passt zu dir. Deine Bank deckt dich zu mit Zinsen. Deine Bank will auch nur geliebt werden. Deine Bank kann dir viel sein. Deine Bank will nicht wie eine Xbeliebige behandelt werden. Deine Bank möchte dich besitzen. Ja, deine Bank ist paradox.

Donnerstag, 29. März 2018

Der Vollmond rückt an. Vollmondphasen sind meine Hauptschreibphasen. Da heule ich den großen Himmelkäse an und schreibe wie wild. Die letzte dieser Phasen hatte ich in Stainach zu überstehen. Da drängte sich mir dieses Bild auf.

Ich muss dazu sagen, dass ich mit einer derartigen Blumengießkanne groß geworden bin. Ja, meine Mutter hatte eine solche und so schleuderte mich der Anblick sofort in die Kindheit zurück.

Umfrage: Wer hatte zuhause auch eine derartige Gießkanne? Ich bin gespannt.

Überschrift zu diesem Zum-Bild-Text:
Das Gießkannenumkehrprinzip

Mann im Rock mit Hut stopft Gieskannenhals
Dem Gießkannenhals fehlt der Kopf
Der Beregnungsfunktionskopf

Dienstag, 27. März 2018

Nebelrollenspiel mit Ohren


Da ist eine derridasche Falte auf deiner Stirn
Da blitzt Butler in deinen Augen
Da liegt ein Wittgenstein auf deiner Zunge
Den Hals voll Bachmann, im Magen nietzscht's
Es will was Krauss
Der Kehlkopf ein schmurgelnder Kofler
Im Nacken ein Ringelnatz
Clar, Peter, du bist mein de Man
Meine fünf Freunde der Theorie wollen nur spielen
Besser zwei linke Handke als ein rechter Jünger

Neulich präsentierten wir die Nebelrolle in Klagenfurt.
Das Musil-Haus nahm uns herzlich auf.
Die Hauptplatz-Hasen hatten nur Ohren für uns.
Am Ostersonntag, den 1. April, geht unser Korrespondenzpoesie-Projekt weiter.
Peter ist in Portugal. Ich halte in Wien die Stellung.


Donnerstag, 15. Februar 2018

StaTTschreiber Porträt auf WT1



Hätte ich nicht die eine oder andere Nacht im Hotel verbracht, ich wüsste nicht, dass es ein Wels TV gibt.
WT1 wusste aber, dass es mich gibt und hat ein supernettes Porträt gestaltet. Das es hier zu sehen gibt: https://www.wt1.at/programm/28-09-2017/episode/portrait-stattschreiber-markus-koehle
Vielen Dank Sophie Hochhauser!

Freitag, 12. Januar 2018

Winterfrische

Es stehen mir drei Wels-intensiv-Tage bevor. Meine StaTTschreiberzeit ist zwar vorbei - schön war's - aber ich habe mir da noch ein spezielles Projekt einfallen lassen, das sich an die Sommerfrische vom Stadtschreiber 2015 Stefan Petermann anlehnt. Die Winterfrische erlaubt es mir, drei Tage (Nächte) im Greif zu verbringen und fleißig Geld in Wels auszugeben. Darüber habe ich dann zu berichten und zwar im MKH. "Winterwortsport" heißt der Abend am Donnerstag, den 25. Jänner 2018 und ihr seid alle herzlich eingeladen, zu lauschen, was mich umgetrieben haben wird in den nächsten drei Tagen.

Mittwoch, 3. Januar 2018

Jahresrückblick - Lesungen II

Slam, Oida Präsentation im Stifterhaus Linz mit Sevi und Sarah-Anna (Foto: Dominika Meindl)
Die zweite Jahreshälfte war natürlich geprägt von meiner StaTTschreiber Zeit in Wels. Von 1. September bis 10. Dezember (mit Tourunterbrechungen) hielt ich mich in Wels auf und bloggte fleißig (alles hier nachzulesen).

Ich las für den Buchclub, für den Club 41, für den Treffpunkt Mensch & Arbeit, für die BuchZeit im Puchberg, ich las auf einem Geburtstagsfest im Traunzeit, auf einem Weihnachtsmarkt in der Alten Rahmenfabrik und im Kornspeicher für die Menschen, ich lieferte einen Beitrag bei der Eröffnung des YOUKI-Festivals und nahm dreimal am Welser Poetry Slam teil, ich gab Workshops für angehende BibliothekarInnen, für HAK SchülerInnen und für ApothekerInnen in spe in der Berufsschule, ich schrieb Kolumnen für die Oberösterreichischen Nachrichten und ließ mir ein Zusatzprojekt mit dem Titel „Winterwortsport“ einfallen, das am 25. Jänner 2018 im MKH Wels präsentiert wird.

Aber am Allerschönsten waren natürlich Anfang und Schluss. Antrittslesung und Verabschiedung. Leider hab ich gar kein Foto von der StaTTschreiber Antrittslesung in Wels am 10. September im Hotel Hausner (Bitte um Zusendung! Danke.) Die Verabschiedung mit Kaffee, Kekse, Köhle Mieze Medusa und Peter Clar sowie DJ Fasthuber wurde dann am 10. Dezember im großen Schl8hof Backstageraum abgewickelt. Ach, schön war's.

Besonders schön war natürlich auch die „Slam, Oida!“ Präsentation in der Wagner'schen (mit Special Guest Christoph Simon und den Innsbrucker Slammer_innen Käthl, Rebecca Heinrich, Stefan Abermann, Martin Fritz und Markus Koschuh) am 30. Oktober als zweiter Termin des von Robert Renk initierten Köhle-Dripple-Features im Herbst in Innsbruck (Teil 1 mit Klaus Zeyringer und Antonio Fian in der Stadtbibliothek, Teil 3 mit Mieze Medusa im Literaturhaus am Inn).

Dieser Paarlauf am 14. Dezember war dann auch der Saisonschluss. Mieze Medusa las aus „Meine Fußpflegerin stellt Fragen an das Universum“ und „Alles außer grau“, ich aus „Kuh, Löwels, Mangoldhamster“, „Wonnebrand“ und „Jammern auf hohem Niveau“ und zum Schluss durfte ich mich dann auch noch in DJ Knut verwandeln. Ein würdiger Abschluss!



Weitere Leseorte 2017 (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

In Wien und Umgebung:
Schule für Dichtung, Café Anno, 7stern, Uni, Alte Schmiede, Brunnenpassage, Spektakel, Café Oben, Wien Museum, Literaturbuffet Lhotzky, Seeseiten Buchandlung, Literaturhaus, Drahtwarenhandlung, Buch im Beisl, BuchWien; 40er Hof Langenlois, Tischlerei Melk;
In Graz und Umgebung:
Kultum Graz, Literaturhaus Graz, Brücke Graz, CCW Stainach, Kunsthaus Muerz;
In Tirol und Vorarlberg:
Bäckerei Innsbruck, Stromboli Hall; poolbar Feldkirch, Stadtbibliothek Bregenz;
In Wels Umgebung:
Salonschiff Fräulein Florentine Linz; Ottensheim;

Und außerhalb Österreichs:
Österreich Bibliothek Tiflis, Herder Zentrum Danzig, Sommerakademie Zakynthos;

Dienstag, 2. Januar 2018

Jahresrückblick - Lesungen


2017 war ein lesetechnisch äußerst erfolg- und abwechslungsreiches Jahr. Die Bücher „Jammern auf hohem Niveau“, „Slam, Oida!“ (mit Mieze Medusa) und „Wonnenbrand“ (mit Peter Clar) und die dreimonatige Zeit als StaTTschreiber in Wels bescherten mir zahlreiche Auftritte mit unterschiedlichem Programm. Einige besondere Abende der ersten Jahreshälfte seien hier noch einmal in Erinnerung gerufen.

„Literatur um 8. Zu zweit durchs Lesen“ mit Gerhard Benigni und musikalischer Begleitung von der Alphornmusi aus'm Katschtal im Parkhotel Villach am 8. Frebruar. Mit 2 Alphörnern auf der Bühne – der Wahnsinn! Und zwei Tage später beim Konzertanz im vierundeinzig in Innsbruck dann gleich mit einem ganzen Steichorchester und Tänzer_innen – noch mehr Wahnsinn!

Das Motto lautete „Der hohen Minne tiefer Fall“. Unter der Leitung von Ya-Wen Yang haben Käthl, Martin Fritz und ich zur Musik von G. P. Telemann: Don Quixote Suite und E. Elgar: Serenade for Strings getextet und Constanze Korthals, Evi Kofler und Tarek Tillian getanzt. Foto oben von Harry Triendl - vielen Dank!

Mit Mieze Medusa gab es im vergangenen Jahr zahlreiche besondere Auftritte. Hervorhebenswert, weil auch mit Kurzurlaub verbunden, war die Performance im Literatur- und Wohlfühlhotel Wasnerin in Bad Aussee am „Tu felix Austria“ Wochenende am 20. Mai (und Armin Thurnher am 21. Mai).

Besonders herzlich war der „DUM im Wiederlesen“ Abend am 15. Juni in Imst. Das DUM-Team rückt vollzählig aus (Wolfgang Kühn, Martin Heidl und Markus Köhle), um einen Jubiläumsabend in der sympathischen Buchhandlung in Imst zu bestreiten. Annemarie Regensburger und Kyn moderierten, Angelika Polak-Pollhammer, ChristiAna Pucher, Ingeborg Schmid-Mummert und der Wortvertreter a. D. lasen und sehr viele DUMs wurden verkauft.

Oberndorf hat sein Dorfjubiläum gefeiert und uns in die VS-Aula geladen (Danke Jochen Burger)



Montag, 1. Januar 2018

Jahresrückblick: Roman Empfehlungen


Dem Silvestermuffel ist im neuen Jahr mehr Zeit gegeben. Das gilt zumindest für den ersten Tag im neuen Jahr, der dafür genützt werden soll. Höhepunkte des vergangenen Jahres noch einmal kurz Revue passieren zu lassen.

Für eine Weihnachtsgeschenke-Empfehlungsliste ist es zu spät. Aber wenn noch wer was Umtauschen oder einfach Neukaufen will. Hier meine Lieblings-Romane 2017. „Das Floß der Medusa“ von Franzobel. Franzobel nimmt einen spannenden, historischen aber hochaktuellen Stoff in die Hand und bearbeitet ihn auf seine Weise. Da kann er all seine Qualitäten ausspielen. Da geht sein Sprachreichtum auf. Da darf barock gewuchert werden. Da hat sich einer freigeschrieben und eine eigenwillige Erzählform und Metaphernsprache gefunden, um diesen Stoff zugänglich zu machen.

Die Überraschung des Jahres war für mich der polnische Autor Ziemowit Szczerek. Das Buch hat mich vom Titel und von der Covergestaltung her angesprochen. Ich mag die Sonar-Serie bei Voland & Quist. Aber dass „Mordor kommt und frisst uns auf“ mich dermaßen überzeugen würde, dachte ich nicht. Bitter böse. Politisch. Dreckig. Alte Beat-Poeten-Schule und doch neu. Ein Roadmovie-Roman in den wilden Osten. Eine Ukraine-Erkundung eines Polen, der diesen dort demonstrativ raushängen lässt. Geografie, Geschichte, Getränke. Ein süffiges Stück Literatur eines Autors, dessen Namen man sich schwer merken kann, den man sich aber merken sollte.

Wer mehr über Russland und seine verworrene Geschichte erfahren möchte, der darf gerne zu „Die Welt des Herrn Bickford“ von Andrej Kurkow greifen. Da macht sich wer mit einem Tornister auf den Weg quer durch das Land und zieht eine Zündschnur hinter sich her. Skurril, witzig, toternst und erhellend.

Ein Sprung zur Supermacht auf der anderen Seite des Pazifiks sei an dieser Stelle gemacht und John Wrays „Lowboy“ nahegelegt. „Der Retter der Welt“ heißt dieser Roman in der deutschen Übersetzung. Wray ist ja halb Amerikaner und halb Kärntner und dass er auch auf deutsch schreiben kann, hat er beim diesjährigen Bachmannpreis-Lesen bewiesen. Lowboy ist bereits 2009 erschienen, bildete seit 2010 einen Fundamentbaustein meines Noch-zu-lesen-Büchertrums und hatt mich gleich in seinen Bann gezogen. Es geht in den Untergrund, in die New Yorker U-Bahn und tief in die Psyche des Helden Will Heller.

Ganz und gar nicht schlecht auch:
Der Fisch in der Streichholzschachtel“ von Martin Amanshauser. Kreuzfahrt. Piraten. Zeitlöcher. Beziehungsgeplänkel und viel Meer.
Ein weißes Feld“ von Lucas Cejpek. Ein Mann sieht weiß und macht das zum Konzept, das aufgeht, einleuchtet und fasziniert.
Kraft“ von Jonas Lüscher. Nach „Frühling der Barbaren“ mit Engländern und einem Schweizer in Tunesien und der totalen Kapitalismus-Katastrophe geht es jetzt ins Silicon Valley, zu einem Wettbewerb „Weshalb alles, was ist, gut ist und wie wir es dennoch verbessern können“. Rhetorikprofessor Kraft setzt alles auf eine Karte und wir schauen ihm schaudern und belustigt dabei zu.
Eine Klassiker-Lücke habe ich dieses Jahr auch endlich gefüllt und zwar mit großer Begeisterung:
Die größere Hoffnung“ von Ilse Aichinger ist bereits 1948 erschienen und scheint mir eines der stärksten Bücher über den Krieg und seine Folgen. Ihrer Zeit weit voraus findet Aichinger eine poetische Sprache und dekonstruiert Formen und Muster lange bevor dies zum State of the art wurde. Grandios!

Lyrikbände, Literaturzeitschriften, Essays und Bücher mit Bildern oder so hab ich natürlich auch brav gelesen. Vielleicht demnächst (oder im nächsten Jahr) mehr darüber.